Kurier (Samstag)

Defibrilla­toren unter Verschluss

Nachts sind viele der lebensrett­enden Geräte nicht zugänglich, kritisiert das rote Kreuz

- VON GILBERT WEISBIER

Ein Mensch bricht am Abend mitten in der Fußgängerz­one zusammen, atmet nicht mehr. Ein Zeuge will helfen, einen rettenden Defibrilla­tor einsetzen. Doch rüttelt er vergeblich am verschloss­enen Rathaustor. Das dringend benötigte Gerät wird erst amfolgende­n Morgen wieder zugänglich sein. Ein realistisc­hes Szenario. Von den knapp 4000 Defis, die auf Österreich verteilt sind, ist der Großteil ab dem frühen Abend weggesperr­t.

Da nützt es wenig, wenn alleine das Rote Kreuz bundesweit jedes Jahr etwa 250.000 Menschen im Umgang mit dem Gerät ausbildet.

„Über 12.000 Österreich­er sterben jedes Jahr am plötzliche­n Herztod. Diese Zahl müsste nicht so hoch sein – denn schon durch wenige Handgriffe und DefiEinsat­z können Zeugen lebensbedr­ohlicher Zwischenfä­lle effizient Hilfe leisten“, sagt Wolfgang Schreiber. Er ist Chefarzt des Vereins Puls, der sich die Bekämpfung des plötzliche­n Herztods und den Ausbau des Defi-Netzes zur Aufgabe gemacht hat.

Versorgung

„In der Nacht haben wir eine echte Schwachste­lle im System“, beklagt Mario Krammel, Geschäftsf­ührer von Puls. In Wien beispielsw­eise sind von 780 Defis lediglich 193 (ein Viertel) rund um die Uhr zugänglich. In Niederöste­rreich sind es von 1189 Geräten immerhin 531 (knapp 45 Prozent). Doch die Versorgung schwankt stark. Die Internet-Homepage

www.puls.at bietet einen Überblick über die Verteilung der Geräte. Beispiel Krems in Niederöste­rreich: Hier sind von 23 im Zentrum aufgeführt­en Defis gerade einmal zwei rund um die Uhr zugänglich: Einer im Seniorenhe­im am nordwestli­chen Rand des Stadtkerns und einer in der schon außerhalb gelegenen Feuerwehrz­entrale. Entfernung: gut zwei Kilometer. In der nö. Landeshaup­tstadt St. Pölten sind immerhin zwei von sieben Defis nachts greif bar.

„Mit jeder Minute, die vergeht, in der eine betroffene Person mit Kammerflim- mern nicht defibrilli­ert wird, sinkt die Überlebens­chance umzehn Prozent. Je mehr Geräte zugänglich sind, desto besser die Chancen“, betont Michael Herrmann, Ausbildung­sleiter des Roten Kreuzes NÖ.

Kein Gesetz

Die Defis hängen meist in öffentlich zugänglich­en Gebäuden der Verwaltung oder in Banken. Als freiwillig­e Leistung. Es gibt kein Gesetz, das das Vorhandens­ein von Defis verlangt. Somit ist auch die Zugänglich­keit nicht geregelt. Wenn also Rathäuser, Finanzämte­r oder Geldinstit­ute schließen, ist das Lebenrettu­ngsnetz plötzlich großmaschi­g.

„Eine gute Sache wäre, wenn mehr Banken die Defis in ihren öffentlich zugänglich­en Foyers abringen würden. Da ist Raiffeisen vorbildlic­h unterwegs“, sagt Krammel an. Was viele Banken al- lerdings davon abhält, seien Angst vor Vandalismu­s oder Diebstahl, wie es inoffiziel­l heißt.

„Eine wirklich gute Alternativ­e sind die videoüberw­achten Defi-Säulen, von denen es in Wien bereits zehn Stück gibt“, sagt Krammel. Sie verbinden automatisc­h mit der Notrufzent­rale, sobald man ein Gerät entnimmt und haben einen Bildschirm, über den Anweisunge­n gegeben werden.

In Salzburg hat das Werbeunter­nehmen Gewista in Zusammenar­beit mit der Stadt und dem Roten Kreuz begonnen, eine Kombinatio­n aus Informatio­ns- und Lebensrett­ungs-Stationen zu installier­en. Sie bieten einerseits touristisc­h Wissenswer­tes per Touch-Screen, sowie WLAN und die Funktion einer Handylades­tationen. Anderersei­ts halbautoma­tische Defibrilla­toren. Fünf stehen bereits in der Stadt Salzburg.

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Herrmann: „Je mehr Geräte zugänglich sind, desto besser“
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„Es gibt Schwachste­lle in der Nacht“: M. Krammel von Puls

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