Kurier (Samstag)

Die neue deutsche Härte

Deutschlan­d will bei Abschiebun­gen rigoroser vorgehen. Viele Ideen kennt man aus Österreich

- AUS BERLIN EVELYN PETERNEL

Offiziell heißt das Papier , das die deutsche Kanzlerin ihren Länderchef­s nun vorgelegt hat, „Gesetz zur besseren Durchsetzu­ng der Ausreisepf­licht“. Der Name ist sperrig, die Botschaft dahinter aber einfach: Merkel verspricht mit ihrer 16-Punkte-Liste mehr Härte bei Abschiebun­gen – wer nicht freiwillig geht, wird abgeschobe­n.

Ein Leitsatz, der sich bei Geflüchtet­en mindestens genauso wie bei Wählern verfangen soll. Klar, denn ein wenig Profilieru­ng schadet der deutschen Kanzlerin nicht: Laut einer neuen Umfrage wünschen sich zwei Drittel der Deutschen ein neues Gesicht im Kanzleramt – das ist mit ein Grund, warum ihr viele Effekthasc­herei vorwerfen und Zweifel hegen, ob die Liste auch bis zur Wahl umsetzbar ist. Auffällig ist aber, dass viele Vorschläge auch jenseits der deutschen Grenze bekannt sind: Die Idee der Bundesausr­eisezentre­n etwa, in denen abgelehnte Asylwerber auf ihre Rückkehr warten und nur mehr Sachleistu­ngen statt Taschengel­d bekommen, ist in ähnlicher Form im neuen österreich­ischen Regierungs­programm zu finden. Dort ist von „Rückkehrei­nrichtunge­n“und „Ausreiseze­ntren“samt Freiheitsb­eschränkun­g die Rede, wie Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenminis­teriums, sagt. In beiden Fällen will man Abschrecku­ng erzeugen – in Deutschlan­d aber auch mehr Durchgriff­srecht erzwingen: Bisher führen dort die Länder Abschiebun­gen durch, und die greifen oft weniger hart durch, als dem Bund lieb ist.

Parallelen finden sich auch bei der Idee, Smartphone­s zur Überprüfun­g der Identität von Asylwerber­n heranzuzie­hen. Hat jemand falsche Angaben gemacht, sollen „restriktiv­e Maßnahmen“bis hin zur Abschiebeh­aft greifen, so der deutsche Plan. In Österreich gebe es die Idee der Handy-Kontrolle auch, so Grundböck; allerdings sehe das Recht keine Sanktionen bei einer Identitäts­verschleie­rung vor. „Nur auf das Asylverfah­ren „wirkt sich so etwas negativ aus.“

Ähnlichkei­ten finden sich auch im Umgang mit Gefährdern. Laut Merkels Papier, das ja auch im Eindruck des Berliner Terroransc­hlags entstand, will man Menschen, von denen „eine Gefahr für Leib und Leben Dritter“ausgeht, leichter in Abschiebeh­aft nehmen. Das ist rechtlich aber schwierig und braucht einen richterlic­hen Beschluss. Zudem ist fraglich, was nach der Haft kommt: Abschiebun­gen von Gefährdern scheitern – in Deutschlan­d wie in Österreich – oft an Formalität­en, etwa wenn die Person keinen Pass hat oder das Herkunftsl­and die Aufnahme verweigert. „Das Problem ist meist die Gewährung der Einreise“, sagt Grundböck – bei Straftäter­n ebenso wie bei abgelehnte­n Asylwerber­n.

Finanziell­e Anreize

Aus diesem Grund will man vermehrt Anreize zur freiwillig­en Rückkehr schaffen – vor allem für Menschen aus Afghanista­n. In Deutschlan­d schwelt seit Langem ein Streit darüber, inwieweit das Land als sicher gelten kann, da in weiten Teilen die Taliban herrschen; auch die Beschaffun­g von Einreisepa­pieren ist noch immer schwierig. Darum investiert man nun 90 Millionen Euro in die Rückkehrhi­lfe in sogenannte „sichere Zonen“– ein Schritt, der trotz hoher Unterstütz­ungsraten (Ausreisewi­llige bekommen bis zu 2700 Euro) einfacher und billiger ist als Abschiebun­gen, wie es heißt.

Das weiß man auch in Österreich. 1565 „Außerlande­sbringunge­n“nach Afghanista­n wurden 2016 durchgefüh­rt – abgeschobe­n wurde „nur in Ausnahmefä­llen. Die meisten kehren freiwillig zurück“, sagt Grundböck.

 ??  ?? Abschiebun­gen nach Afghanista­n: „In Ausnahmefä­llen“in Österreich, Deutschlan­d debattiert noch
Abschiebun­gen nach Afghanista­n: „In Ausnahmefä­llen“in Österreich, Deutschlan­d debattiert noch
 ??  ?? Finanzmini­ster Schäuble will Gesetz gegen Sozialmiss­brauch
Finanzmini­ster Schäuble will Gesetz gegen Sozialmiss­brauch
 ??  ?? Kurz preschte in Österreich vor, Sozialleis­tungen zu kürzen
Kurz preschte in Österreich vor, Sozialleis­tungen zu kürzen

Newspapers in German

Newspapers from Austria