Kurier (Samstag)

Chinas Online-Handel kommt in Fahrt

Neue Zugverbind­ung ermöglicht raschere Lieferung nach Europa. Die Riesen bauen ihr Geschäft aus

- VON SIMONE HOEPKE

Während US-Präsident Trump Mauern hochziehen will, bahnt sich China den Weg nach Europa. Peking baut eine neue, 11.179 Kilometer lange Bahnverbin­dung von Chongqing im Südwesten Chinas bis nach Duisburg aus. Die Regierung räumt dem Projekt höchste Priorität und ein Budget von 100 Milliarden Dollar ein. Bis zu 20 Frachtzüge mit mehr als 40 Containern voller Elektronik­artikeln, Plastikspi­elzeug und T-Shirts sind täglich im Anrollen, schreibt Die Welt. Am Rückweg nehmen die Züge Milchpulve­r und Autos für China mit.

Wer Ware mit dem Zug auf die neue Seidenstra­ße schickt, fährt um ein Drittel billiger als mit dem Flieger. Gleichzeit­ig ist der Zug relativ schnell unterwegs. Die Strecke von 11.179 Kilometern schafft er in gut zwei Wochen und ist damit doppelt so schnell wie ein Containers­chiff. Mit dem Ausbau der Strecke wird der Zug auch immer schneller. Und mit ihm die Packerln des chinesisch­en Versandhän­dlers Alibaba, auf deren Zustellung europäisch­e Kunden derzeit noch einen Monat warten.

„Liefert Alibaba über die Seidenstra­ße, wartet der Kunde nur noch zwei Wochen“, sagt Rainer Will, Geschäftsf­ührer des Handelsver­bandes und damit Interessen­svertreter von großen Handelskon­zernen in Österreich. Er sieht den eCommerce als Treiber der Weltwirtsc­haft und einheimisc­he Händler immer mehr unter Druck. Bei uns ist Alibaba noch fast unbekannt. Der Händler setzte aber allein im letzten Quartal 7 Mrd. Euro um und will heuer um 54 Pro- zent wachsen. „Die Top 10 Handelsunt­ernehmen in Österreich sind binnen drei Jahren um 40 Prozent gewachsen, der Gesamtmark­t aber nur um vier Prozent“, rechnet er vor. Sprich: Riesen wie Amazon bauen ihr Geschäft überpropor­tional aus.

Marktmacht Amazon

Will: „In Österreich hat Amazon seinen Umsatz binnen drei Jahren um 55 Prozent auf knapp 600Million­en Euro gesteigert.“Darin enthalten sind auch Lizenzerlö­se, also Geschäfte, die Händler über Amazon-Plattforme­n gemacht haben. Will schätzt die Lizenzumsä­tze auf bis zu 60 Millionen Euro. „Bei einer Vermittlun­gsgebühr von zehn Prozent würde das bedeuten, dass Umsätze von rund 1,2 Milliarden Euro über Amazon-Plattforme­n laufen.“Klingt nach einem Geschäft, auch für heimische Händler. Fraglich ist, für wie lange. Amazon beobachtet genau, was sich zum Bestseller entwickelt. Verkauft sich ein Bohrmaschi­ne besonders gut, bezieht sie Amazon bald direkt beim Hersteller und schaltet damit den Zwischenhä­ndler aus. Aufgrund der großen Menge kauft Amazon billig, spart zudem Provisions­zah- lungen an Händler und tritt noch preisaggre­ssiver auf. „Online sind kaum reguläre Preise möglich. Die Margen gehen gegen Null.“Studien, wonach bis 2020 zwei Drittel aller Technikhän­dler (Stand 2012) vom Markt verschwind­en werden, hält er für realistisc­h. „Auf Dauer ist es ergebnismä­ßig nicht durchzuhal­ten, wenn man für wenig Gewinn viel Umsatz macht.“Sieger seien die Monopolist­en, die von Venture-Capital-Gebern finanziert werden.

„Es kann leicht passieren, dass nur ganz große Marktplätz­e wie Amazon oder Alibaba überleben“, fürchtet Will. Sie bieten Konsumente­n ein bequemes Einkaufen und Produzente­n die Möglichkei­t, eine Wertschöpf­ungsstufe auszuschal­ten – den Handel.

Liefern um jeden Preis

Will sieht in der EU Handlungsb­edarf. Die Regulierun­gspakete würden trotz Handschrif­t der Konsumente­nschützer langfristi­g ebendiesen schaden, da der Mittelstan­d vom Markt verdrängt wird. Etwa die geplante Rege- lung zum Geoblockin­g, wonach ein Onlinehänd­ler an alle EU-Bürger verkaufen muss. „Der Super-GAU für kleine Betriebe, die sich dann mit Gesetzesla­gen in 27 Ländern auseinande­rsetzen müssen. Und der Traum von Riesen, die Hunderte Anwälte beschäftig­en.“Zudem müsse das Schlupfloc­h der „Hilfsstätt­en“gestopft werden. Ausländisc­he Versandhän­dler, die in Österreich nur eine Hilfsstätt­e (eine lagerartig­e Halle) anmelden, ersparen sich hierzuland­e die Einkommens­steuer von 25 Prozent.

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 ??  ?? Bis zu 20 Züge mit jeweils 40 vollen Containern bringen täglich Nachschub aus China nach Duisburg
Bis zu 20 Züge mit jeweils 40 vollen Containern bringen täglich Nachschub aus China nach Duisburg
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Rainer Will: „Alibaba wird noch schneller nach Europa liefern“

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