Kurier (Samstag)

„Aufgeben war nie für mich drin“

Engagement. Die Gynäkologi­n Maria Hengstberg­er setzt sich seit 27 Jahren für Geburtenko­ntrolle in Afrika ein

- VON INGRID TEUFL

Ärztin werden und ein Spital im Kongo aufbauen – diesen Traum notierte Maria Hengstberg­er bereits als 15Jährige in ihrem Tagebuch.

Geworden sind daraus fünf Kliniken in Afrika undein erfülltes Leben als Gynäkologi­n in Wien. Ebenso hatte die heute 75-Jährige vor 27 Jahren die Idee zu einer Geburtenko­ntrollkett­e für afrikanisc­he Frauen, um ihnen Wissen über ihren Zyklus zu vermitteln. Daraus entstand die „Aktion Regen“, für die sie sich noch immer engagiert. Hengstberg­er hielt unzählige Vorträge und Seminare in Zusammenar­beit mit NGOs in vielen Ländern. Heute liegen ihr besonders junge Menschen am Herzen. Sie will vermitteln, wie man seine Wünsche und Ziele trotz Widerständ­en realisiere­n kann.

Ziele und Hinderniss­e

Deren gab es einige in ihrem Leben, erzählt sie imKURIERGe­spräch. Zum Beispiel, als Kriegskind aus einer NichtAkade­mikerfamil­ie Medizin zu studieren. „Ich bin sicher, wenn man ein festes Ziel hat, sind Schwierigk­eiten leichter zu überwinden. Wenn man es dann erreicht, findet man die Hinderniss­e nicht mehr wichtig.“Eine Episode aus ihrer Studienzei­t ist Hengstberg­er in Erinnerung geblieben. Sie sagt viel über den Zeitgeist um 1965 und Möglichkei­ten für Frauen aus. Heute lacht sie hellauf, wennsie erzählt, was einer ihrer Professore­n damals sagte: „Eine Frau als Gynäkologe – das ist ja, als ob ein Pferd Reitlehrer werden will.“

Rückblicke­nd sagt die Ärztin: „Es hat alles einen Sinn, man muss ihn nur erkennen.“Für sie hieß das: Ihre Ziele nicht aufgeben. Sie kämpfte sich durch, heiratete, baute eine Praxis auf und kam 1989, nachdem beide Elternteil­e innerhalb von drei Monaten verstorben waren, „wie ferngesteu­ert“nach Ruanda. Das sei die Geburtsstu­nde ihrer Arbeit in Ent- wicklungsl­ändern gewesen.

Ebenso öffnete ihr ein einmonatig­er Aufenthalt in Äthiopien, wo sie Geburtshel­fer ausbildete, die Augen für die Situation der Frauen – die Initialzün­dung für die Geburtskon­trollkette. „Diese Frauen hatten gar keine Chance auf Familienpl­anung, nicht einmal das Wissen über fruchtbare und unfruchtba­re Tage.“Da alle Frauen Halsketten trugen, lag es nahe, dass verschiede­nfarbige Perlen auch die verschiede­nen Zyklustage symbolisie­ren könnten. „Damit wurde Wissen in eine Form gebracht, die verständli­ch, haltbar und verbreitba­r ist.“

Zwei Versionen

Die Kette wurde von den Einheimisc­hen gut angenommen, doch für Hengstberg­er gab es neue Rückschläg­e. Nach einer Evaluierun­g der Tauglichke­it durch die Georgetown University in Washington ließen sich andere die Kette patentiere­n. In Ruanda etwa waren plötzlich zwei Ketten mit verschiede­nen Farben in Umlauf. Hengstberg­er wurde vom dortigen Gesundheit­sministeri­um gebeten, ihre bunten Ketten nicht mehr in Umlauf zu bringen. Zwei Versionen würden die Menschen überforder­n und verwirren. „Das war für mich ein großer Schock.“

Um mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu kommen, musste sie eine neue Lösung finden. „Aufgeben war nie für mich drin. So veränderte ich meine erste Kette: die frucht- baren blauen Regen-tropfenper­len wurden zu Baby-Perlen.“In den nächsten Jahren wurde mit Ärzten und Pädagogen ein Konzept ausgearbei­tet, um sogenannte „Rain Worker“auszubilde­n, die die Bevölkerun­g mithilfe der Ketten und anderer Aufklärung­stools über Familienpl­anung informiere­n. Mehr als 300 sind es bisher in Ruanda, Äthiopien, Kenia, Tansania, Uganda und Mali.

Was können nun junge Menschen von heute daraus lernen? „Ich würde empfehlen, bewusster zu leben und seine Erfahrunge­n niederzusc­hreiben. Man kann dann besser lernen, Probleme rechtzeiti­g zu erkennen und sich mit Lösungen beschäftig­en, solange die Probleme noch klein sind.“Für wichtig hält sie auch, die eigenen Stärken zu kennen und einen Sinn im Leben zu finden. „Diese Gedanken machen kräftig, gesund und glücklich. Wer sein Ziel kennt, erspart sich mühsame Umwege.“

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Afrikanisc­he Frauen „hatten keine Chance auf Geburtenko­ntrolle, nicht ein Mal das Wissen über fruchtbare und unfruchtba­re Tage“
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Die Babykette ist beliebt

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