Privilegienabbau bei den Wr. Symphonikern
Um die Existenz des Orchesters zu sichern, setzte Intendant Johannes Neubert harte Schritte
Ende 2006 veröffentlichte das Kontrollamt einen Bericht über die Wiener Symphoniker, der es in sich hatte. Denn dem kommunalen Orchester drohte ein Finanzierungskollaps – aufgrund „automatischer Gehaltserhöhungen“, einer „nicht ausreichend sparsamen Gebarung“und eher erfolglosen Marketingaktivitäten. Der Bilanzverlust war 2005 auf beachtliche 46,1 Millionen Euro angewachsen. Die Symphoniker hatten es zudem – entgegen der Vereinbarung mit der Stadt – nicht geschafft, einen Eigendeckungsgrad von 25 Prozent auch nur annähernd zu erreichen. 2004 zum Beispiel lag er bei 15,1 Prozent.
Der Skandal wurde damals kleingeredet; dass Feuer am Dach war, wussten aber alle Beteiligten. Es kam in der Folge zu etlichen Restrukturierungsmaßnahmen. Doch zeitigten sie Erfolge? Das Kontrollamt, das sich nun Stadtrechnungshof nennt, unterzog das Orchester in den letzten Monaten erneut einer Prüfung. Die Recherchen sind bereits abgeschlossen; veröffentlicht wird der Bericht aber erst im Oktober.
Gerüchteweise sollen die RH-Mitarbeiter einiges zu beanstanden haben. Das nervt Johannes Neubert, Intendant seit Ende 2011. Denn: „In vier, fünf Jahren schafft man nicht alles aus der Welt, was es an Veränderungsbedarf gibt.“Aber er habe vieles umgesetzt. Und nicht alle Maßnahmen wurden von den Musikern goutiert.
Eine Verkleinerung des Orchesters, einst vom Kontrollamt nahegelegt, kommt für Neubert jedoch nicht infrage: „Mein Auftrag ist es, die Symphoniker in dieser Größe zu führen. Also mit 128 Stellen.“Er hält eine Reduzierung auch nicht für sinnvoll: „Die Musiker sind mittlerweile, aufgrund einer Änderung des Kollektivvertrags, voll ausgelastet.“Und zwar zu 88 Prozent im Jahr 2015 und zu 94 Prozent im Jahr 2016: „Das ist in Österreich ein Spitzenwert!“Neubert spricht aus Erfahrung: Von 2002 bis 2010 war er Geschäftsführer des Tonkünst- ler-Orchesters Niederösterreich und ab 2005 zusätzlich des damals neu gegründeten Festivals Grafenegg. „Zu meiner Zeit waren die Tonkünstler nicht so hoch ausgelastet.“
Dass die Wiener Symphoniker üppig subventioniert würden, stellt Neubert in Abrede. Es stimme zwar, dass die Förderung der Stadt Wien im letzten Jahr bei 15,05 Millionen Euro lag, hinzu kam noch ein kleiner Beitrag des Bundes. Aber für den Orchesterbetrieb stünden nur 12,67 Millionen zur Verfügung. Denn 2,37 Millionen Euro mussten für Pensionen ausbezahlt werden. Das sind immerhin knapp 16 Prozent der Subventionen – und eine im Vergleich stolze Summe.
Es handelt sich dabei um eine Altlast aus Zeiten, in denen es Geld wie Heu gab: Bis zum Jahr 2006 wurde jedem neu eingetretenen Musiker vertraglich eine Zusatzpension zugesichert. Die Politik wusste bereits seit langem, dass diese Edelmannsmucken nicht länger zu finanzieren seien; aber keiner traute sich, den Privilegienabbau in Angriff zu nehmen. Das war auch nicht weiter verwunderlich: Bis zum Abgang von Ursula Pasterk im Jahr 1996 war der Kulturstadtrat automatisch Präsident der Symphoniker – und gewährte jede Gehaltserhöhung.
Politik stellte sich taub
Derartige Doppelfunktionen gab es bis dahin auch im Falle der Wiener Festwochen, der Kunsthalle und der Viennale. Sie stießen Peter Marboe (ÖVP), der auf Pasterk folgte, sauer auf. Er setzte die Entpolitisierung der Kulturinstitutionen durch und verzichtete auf alle Präsidentenämter.
Die Viennale agierte vorbildlich: Das Festival machte den Produzenten Eric Pleskow, der 1939 in die USA fliehen musste, zum Präsidenten. Die Symphoniker hingegen hoben den ehemaligen SPÖ-Wirtschaftsminister Rudolf Streicher auf den Schild – mit der Begründung, dass dieser kein aktiver Politiker mehr sei. Als Juniorpartner in der Stadtregierung fehlte der ÖVP die Macht oder der Wille, eine Reform des Orchesterbetriebs durchzuboxen. Aber auch Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ), seit 2001 im Amt, stellte sich taub.
Eben bis 2006, als Feuer am Dach war. Alle seither angestellten Musiker erhalten keine Zusatzpension mehr. Doch die Zahl der privilegierten Pensionisten steigt weiter an – und damit die Summe der auszuzahlenden Beträge. Der Höhepunkt dürfte erst 2027 mit 3,1 Millionen Euro erreicht sein, prognostiziert Neubert. „Daran kann ich leider nichts ändern.“
In den letzten Jahren gelang es zumindest, das „Definitivum“, eine Art Pragmatisierung, abzuschaffen. Für alle ab 2015 eingestellte Musikerinnen und Musiker wurde ein zeitgemäßes Gehaltsschema (höheres Einstiegsgehalt, geringere Steigerungen) eingeführt und die zuvor freiwillig ausbezahlte Abfertigung in der Höhe eines Jahresgehalts gestrichen.
Es gibt nun keine Zulage mehr, wenn die Musiker