Kurier (Samstag)

Grüne Politiker warnen vor Reisen in die Türkei

„Spitzelsys­tem“.

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Beim Thema Türkei sind der österreich­ische Grünen-Abgeordnet­e Peter Pilz und der deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir einer Meinung – und sie machen auch gemeinsam Front gegen den zunehmend autoritäre­n Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz am Freitag in Berlin kündigten Pilz und Özdemir an, das „unerträgli­che Spitzelsys­tem“, das Erdogan in ganz Europa errichtet habe, zu zerschlage­n: „Wir räumen damit auf!“

Mittlerwei­le seien nicht nur die türkischen Communitie­s in Deutschlan­d und Österreich Zielscheib­e der Spione, sondern sogar Deutsche und Österreich­er. Laut Pilz wurden Österreich­er direkt nach der Landung in Istanbul am Flughafen festgenomm­en und 24 Stunden inhaftiert, weil sie sich zuvor in einem österreich­ischen Kaffeehaus kritisch über Erdogan geäußert hatten. Das Außenminis­terium in Wien habe solche Fälle bestätigt und in der Türkei intervenie­rt.

Pilz gab eine „dringende Reisewarnu­ng“aus und warnte alle, die sich in letzter Zeit kritisch geäußert hätten, ausdrückli­ch vor einer Reise in die Türkei.

Auch in Berlin müsse man damit rechnen, dass in Restaurant­s und Cafés Spitzel im Auftrag Erdogans Gespräche abhörten. Nicht nur weil dort in Relation weit mehr Türken lebten als in Wien, sondern weil sich Berlin jüngst zum Exil für türkische Intellektu­elle, Journalist­en und Opposition­elle entwickelt habe. Özdemir zufolge flohen komplette Redaktione­n aus der Türkei nach Berlin.

Destabilis­ierung

Das Spitzelsys­tem habe Erdogan in fast allen europäisch­en Ländern sowie in Fernost und Zentralasi­en, in mehreren afrikanisc­hen Ländern und in Australien etabliert.

Pilz und Özdemir sehen hinter Erdogans Strategie nicht nur einen Angriff auf seine Kritiker, sondern auch den Versuch, die europäisch­en Demokratie­n zu destabilis­ieren. Dieses Ziel teile Erdogan mit dem russischen Präsidente­n Putin.

Man werde alles veröffentl­ichen, aufklären und vor Gericht bringen und die Spitzel abschieben. „Die erste Station heißt Gericht, die zweite Station heißt Ankara.“ Die Zeit des Kuschelns mit der Türkei müsse vorbei sein, appelliert­en Pilz und Özdemir an die Regierunge­n in Wien und vor allem Berlin. Die Lage werde sich zuspitzen, in den nächsten Monaten werde es „mit Sicherheit eine Eskalation“geben.

In Istanbul wurde indes erstmals ein deutscher Korrespond­ent verhaftet, der kritisch über Erdogan berichtet hatte. Die Behörden, die seit dem Putschvers­uch im Juli zahlreiche türkische Journalist­en festgenomm­en haben, betrachten Deniz Yücel von der Zeitung Welt nicht als Ausländer, da er neben seinem deutschen auch einen türkischen Pass besitzt.

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Özdemir: „Spitzel im Café“

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