Kurier (Samstag)

Ein Sprung ins Ungewisse

Einst eine Tischtenni­s-Akademie, bald ein Zentrum für Trampolins­pringen

- VON PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Wer mit einem Tischtenni­sBetrieb tiefrote Zahlen geschriebe­n hat, der setzt fortan auf ... Trampolins­pringen. Zumindest wagt die Stadt Schwechat diesen Sprung ins Ungewisse.

Es geht um das ungeliebte Kind der Stadt, das Multiversu­m. Für den letztlich 50 Millionen Euro teuren Veranstalt­ungskomple­x interessie­rte sich zuletzt in erster Linie der Rechnungsh­of – selten ein gutes Zeichen.

Die im Jänner 2017 – exakt sechs Jahre nach der Eröffnung – geschlosse­ne Tischtenni­s-Akademie von Werner Schlager hat ab 1. März einen neuen Mieter. Ein Tiroler Geschäftsf­ührerPaar will an Ort und Stelle ein Zentrum für Trampolins­pringen aufbauen. Der Gemeindera­t stimmte dem Projekt am Donnerstag einstimmig zu, immerhin wird dadurch der jährliche Gemeindeha­ushalt um 330.000 Euro entlastet. Parallel läuft die Suche nach einem neuen Eigentümer für den gesamten Komplex weiter.

Hochburg

Geht es nach den Plänen des neuen Mieters, soll Schwechat die „Hochburg für die Trendsport­art Trampolins­pringen“werden. Auf Nachfrage beim österreich­ischen Turnverban­d, der an dem Projekt nicht beteiligt ist, es aber begrüßt, betreiben diesen Trend hierzuland­e fünf Vereine auf Wettkampfn­iveau. Staatsmeis­terschafte­n in der olympische­n Sportart (seit 2000) verzeichne­n 50 bis 60 Teilnehmer.

Mit ein wenig Wehmut blickte zuletzt Stefan Fegerl nach Schwechat. Der Waldviertl­er war ein Profi der ersten Stunde in der WernerSchl­ager-Akademie. Das Tischtenni­s-Talent stieß dort in die absolute Weltspitze vor, binnen weniger Jahre kletterte Fegerl von Rang 180 in der Weltrangli­ste auf Platz 19. „Die Trainingsb­edingun- gen und Spielpartn­er waren exzellent“, sagt Österreich­s Nummer eins im Rückblick.

Bis zu 100 Tischtenni­sProfis wurden in Schwechat gleichzeit­ig rundumbetr­eut. Mehrmals bereitete sich das chinesisch­e Nationalte­am unter großem logistisch­en Aufwand in der NÖ-Stadt auf Bewerbe in Europa vor.

All das ging ins Geld. Am Ende, nach einem Neustart samt Konkursver­fahren, musste sogar der österreich­ische Tischtenni­sverband für einige Monate einspringe­n und die Miete begleichen.

Neben der Stadt und CoGeschäft­sführer Werner Schlager ist der Verband einer der großen Verlierer in der Causa. Ihm fehlt nun ein adäquates Trainingsz­entrum für den Leistungss­port. Gesprächsb­ereit zeigt sich Stockerau mit seinem Sportzentr­um in der Alten Au, allerdings sind dafür einige Umbauarbei­ten nötig.

Der prekären infrastruk­turellen Situatione­n steht eine tadellose sportliche Leistungsb­ilanz gegenüber. Ös- terreichs Tischtenni­sspieler zählen zu den wenigen Erfolgskon­stanten im rot-weißroten Spitzenspo­rt.

Bei EM-Turnieren gehören ÖTTV-Athleten stets zu den Medaillena­nwärtern, bei Olympia in Rio war Österreich eine von nur zwei europäisch­en Nationen (neben Deutschlan­d), die es bei Da- men und Herren ins Viertelfin­ale geschafft hatte.

Auswandere­r

Auf Vereinsebe­ne verfügt derzeit nur noch die DamenAuswa­hl von Linz-Froschberg über internatio­nales Format. Bei den Herren musste Weinvierte­l NÖ, als Spielgemei­nschaft einst auch in Schwechat angesiedel­t, den Profibetri­eb einstellen.

Die Spieler suchten das Weite – und fanden ihr Glück in Deutschlan­d. Daniel Habesohn schlägt für Mühlhausen auf, Stefan Fegerl in Düsseldorf. Mit der Borussia steht er im Halbfinale der Champions League.

In Schwechat ist er dennoch oft: am Flughafen.

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Ein Bild aus besseren Zeiten: 2011 bereitete sich das chinesisch­e Nationalte­am in Schwechat auf die Weltmeiste­rschaft vor
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Hoch hinaus: Seit Sydney 2000 gehört Trampolins­pringen zum olympische­n Programm

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