Ein Sprung ins Ungewisse
Einst eine Tischtennis-Akademie, bald ein Zentrum für Trampolinspringen
Wer mit einem TischtennisBetrieb tiefrote Zahlen geschrieben hat, der setzt fortan auf ... Trampolinspringen. Zumindest wagt die Stadt Schwechat diesen Sprung ins Ungewisse.
Es geht um das ungeliebte Kind der Stadt, das Multiversum. Für den letztlich 50 Millionen Euro teuren Veranstaltungskomplex interessierte sich zuletzt in erster Linie der Rechnungshof – selten ein gutes Zeichen.
Die im Jänner 2017 – exakt sechs Jahre nach der Eröffnung – geschlossene Tischtennis-Akademie von Werner Schlager hat ab 1. März einen neuen Mieter. Ein Tiroler GeschäftsführerPaar will an Ort und Stelle ein Zentrum für Trampolinspringen aufbauen. Der Gemeinderat stimmte dem Projekt am Donnerstag einstimmig zu, immerhin wird dadurch der jährliche Gemeindehaushalt um 330.000 Euro entlastet. Parallel läuft die Suche nach einem neuen Eigentümer für den gesamten Komplex weiter.
Hochburg
Geht es nach den Plänen des neuen Mieters, soll Schwechat die „Hochburg für die Trendsportart Trampolinspringen“werden. Auf Nachfrage beim österreichischen Turnverband, der an dem Projekt nicht beteiligt ist, es aber begrüßt, betreiben diesen Trend hierzulande fünf Vereine auf Wettkampfniveau. Staatsmeisterschaften in der olympischen Sportart (seit 2000) verzeichnen 50 bis 60 Teilnehmer.
Mit ein wenig Wehmut blickte zuletzt Stefan Fegerl nach Schwechat. Der Waldviertler war ein Profi der ersten Stunde in der WernerSchlager-Akademie. Das Tischtennis-Talent stieß dort in die absolute Weltspitze vor, binnen weniger Jahre kletterte Fegerl von Rang 180 in der Weltrangliste auf Platz 19. „Die Trainingsbedingun- gen und Spielpartner waren exzellent“, sagt Österreichs Nummer eins im Rückblick.
Bis zu 100 TischtennisProfis wurden in Schwechat gleichzeitig rundumbetreut. Mehrmals bereitete sich das chinesische Nationalteam unter großem logistischen Aufwand in der NÖ-Stadt auf Bewerbe in Europa vor.
All das ging ins Geld. Am Ende, nach einem Neustart samt Konkursverfahren, musste sogar der österreichische Tischtennisverband für einige Monate einspringen und die Miete begleichen.
Neben der Stadt und CoGeschäftsführer Werner Schlager ist der Verband einer der großen Verlierer in der Causa. Ihm fehlt nun ein adäquates Trainingszentrum für den Leistungssport. Gesprächsbereit zeigt sich Stockerau mit seinem Sportzentrum in der Alten Au, allerdings sind dafür einige Umbauarbeiten nötig.
Der prekären infrastrukturellen Situationen steht eine tadellose sportliche Leistungsbilanz gegenüber. Ös- terreichs Tischtennisspieler zählen zu den wenigen Erfolgskonstanten im rot-weißroten Spitzensport.
Bei EM-Turnieren gehören ÖTTV-Athleten stets zu den Medaillenanwärtern, bei Olympia in Rio war Österreich eine von nur zwei europäischen Nationen (neben Deutschland), die es bei Da- men und Herren ins Viertelfinale geschafft hatte.
Auswanderer
Auf Vereinsebene verfügt derzeit nur noch die DamenAuswahl von Linz-Froschberg über internationales Format. Bei den Herren musste Weinviertel NÖ, als Spielgemeinschaft einst auch in Schwechat angesiedelt, den Profibetrieb einstellen.
Die Spieler suchten das Weite – und fanden ihr Glück in Deutschland. Daniel Habesohn schlägt für Mühlhausen auf, Stefan Fegerl in Düsseldorf. Mit der Borussia steht er im Halbfinale der Champions League.
In Schwechat ist er dennoch oft: am Flughafen.