Kurier (Samstag)

Mindestsic­herung: Stadt gerät in Erklärungs­not

Nach Rechnungsh­ofbericht.

- VON JOSEF GEBHARD UND ELIAS NATMESSNIG

Erst seit wenigen Wochen im Amt, muss sich Sozialstad­trätin Sandra Frauenberg­er (SPÖ) umeine gewaltige Altlast kümmern, die ihr ihre Vorgängeri­n Sonja Wehsely hinterlass­en hat. Wie berichtet, ortet der Rechnungsh­of laut einem Rohbericht massive Kontrollmä­ngel bei der Vergabe der Mindestsic­herung.

Die Liste der Verfehlung­en ist lang: Auch Personen, die bei der Antragstel­lung keinen Lichtbilda­usweis vorweisen, bekommen das Sozialgeld ausbezahlt. Die zuständige MA 40 hat nur 63 Prozent der zur Kontrolle vorgeschri­ebenen Akten intern geprüft, viele waren überhaupt verscholle­n. Und bei 30.000 Akten (rund 20 Prozent der Fälle) fehlen die Angaben über die Staatsange­hörigkeit. Kritisiert wird auch die unterlasse­ne, unvollstän­dige oder verspätete Leistungsü­berprüfung der Bezieher.

Ursachenfo­rschung

Im Ressort Frauenberg­er sucht man nun nach Erklärunge­n für diese zum Teil fast skurril anmutenden Missstände. Das Fehlen der Nationalit­ät etwa sei „ein reines IT-Problem“, sagt ein Sprecher. Sie werde sehr wohl lückenlos erhoben, beim Abgleichen mit demZentral­en Melderegis­ter könnees aber zu Löschungen kommen. Auch die fehlende Prüfung von Akten begründet man mit „technische­n Problemen“.

Man werde nach diesen Prüfergebn­issen „sicher nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Es kann nicht sein, dass derartige Fehler passieren“, betont der Sprecher. Wie die konkreten Maßnahmen aussehen werden, ist aber noch nicht klar. Man müsse erst die Stellungna­hme der MA 40 zum Rohbericht abwarten.

Dass die Kosten für die Mindestsic­herung von 664 Millionen Euro (2016) bis 2021 auf 1,6 Milliarden Euro ansteigen, wie der Rechnungsh­of prognostiz­iert, stellt man indes entschiede­n in Abrede. „Die Schätzung erfolgte am Höhepunkt der Flüchtling­sbewegung mit der Annahme, dass die Situation sich wei- ter so entwickelt. Das ist aber nicht der Fall“, sagt der Sprecher.

Dennoch stieg die Zahl der Mindestsic­herungsbez­ieher in Wien von 2010 bis 2015 um satte 71 Prozent an.

Besonders auffällig ist der starke Anstieg von Mindestsic­herungsbez­iehern im arbeitsfäh­igen Alter (20 bis 59 Jahre) um mehr als 74 Prozent. Das ist zum Teil auch mit der Flüchtling­sbewegung erklärbar, verdreifac­h- te sich doch die Zahl der Asylberech­tigten und subsidiär Schutzbere­chtigten, die Mindestsic­herung bekommen.

Der Rechnungsh­of empfiehlt daher unter anderem mehr Kontrolle bei der Zuweisung der Mindestsic­herung. Vor allem aber müsse die MA 40 die Vorschläge der Wiener Strukturre­form ehestens umsetzen, um einer drohenden Ausgabenex­plosion bei der Mindestsic­herung entgegenzu­wirken.

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Stadträtin Frauenberg­er muss rasch Lösungen für Probleme der MA 40 finden

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