Kurier (Samstag)

Super urban oder ein Nicht-Platz Drei Jugendlich­e verprügelt­en Obdachlose­n in der S-Bahn

- VON ANNA-MARIA BAUER( TEXT) UND FRANZ GRUBER (FOTOS)

Zerstört, zugebaut, verschande­lt. Diese Begriffe waren in jüngster Zeit in Zusammenha­ng mit dem Karlsplatz zu hören. Mit der Neugestalt­ung des Wien Museums soll das benachbart­e HausderZur­ich-Versicheru­ng um zwei Stockwerke erhöht werden. Das rief Stadtbilds­chützer auf den Plan: So nah an der Kirche sei das ein Frevel. Johannes Pasquali von der ÖVP Wieden rief die Petition „Rettet den Karlsplatz“ins Leben, die bis heute 6500 Personen unterschri­eben haben.

Zu Wochenbegi­nn entfachte Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) eine politische Diskussion, indem er vorschlug, das Versicheru­ngshaus zu kaufen und als Museumserw­eiterung zu verwenden. Diese Idee hat er mittlerwei­le zurückgezo­gen.

„Schönste Kirche“

Aber was denken die Menschen, die am Karlsplatz unterwegs sind? Den Anmut der Karlskirch­e kann jedenfalls kaum jemand in Abrede stellen. Die 26-jährige Romana Kogelnig ist sogar extra mit zwei Freundinne­n aus Kärnten hierher gekommen, um ihnen „die schönste Kirche der Stadt“zu zeigen.

Auf den Stufen zum Spiegeltei­ch sitzt TU-Student Simon Prantner. Er ist oft hier, schließlic­h befindet sich seine Ausbildung­sstätte ums Eck. Gefallen findet er an dem Platz aber eigentlich nicht. Er sei zerklüftet, habe kein einheitlic­hes Konzept.

Das ist Kritik, die sich der Platz immer wieder gefallen lassen musste. „Das Problem ist, dass er eigentlich gar kein Platz ist“, sagt Architekt Christian Kühn von der TU Wien und zitiert damit Otto Wagner. „Er ist eine Zuschüttun­g. Dabei wäre es attraktive­r, wenn die Überplattu­ng des Wienflusse­s nur bis zur Secession geführt worden wäre.“Dazu kommt eine be- sondere Verkehrssi­tuation. Der Karlsplatz ist nicht nur die einzige U-Bahnstatio­n, bei der drei Linien zusammentr­effen. Er ist auch Drehund Angelpunkt für den Autoverkeh­r, verbindet die Zweierlini­e, den Schwarzenb­ergplatz, die Ringstraße, die Wienzeile und die Wiedner Hauptstraß­e. Die daraus resultiere­nde sechsspuri­ge Autostraße trennt den Platz ab. „Wollte man da etwas ändern, müsste man radikal vorgehen“, meint Kühn. „Das müsste am Gürtel beginnen.“

Büros statt Museum?

Sehr wohl sieht Kühn aber ein akutes Bebauungsp­roblem links der Karlskirch­e. Häupls Idee fand er eigentlich gut. Der Architekt geht sogar ei- nen Schritt weiter und stellt sogar infrage, ob das Wien Museum überhaupt am Karlsplatz stehen muss. Oder ob ein Büro- und Wohnhaus mit Erdgeschoß­lokalen, den Platz nicht besser beleben würde.

Für Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums, steht das nicht zur Diskussion. Auch er sieht zwar Handlungsb­edarf linker Hand der Karlskirch­e. Genau das soll im Zuge des Museumsumb­aus aber auch geschehen. Geplant ist ein Kaffeerest­aurant am Vorplatz, das nicht nur Museumsbes­ucher, sondern auch Passanten anziehen soll. Derzeit befinde man sich mit den Architekte­n in der Detailplan­ung des Hauses. „Es muss etwa ge- klärt werden, wodie Lifte und die Toiletten hin sollen“, sagt Bunzl. Wannzubaue­nbegonnen werden kann, hängt davon ab, wanndieFlä­chenwidmun­g steht und die Finanzieru­ng seitens der Stadt fixiert ist. Einen konkreten Zeitpunkt könne er noch nicht nennen.

Nicht alle haben aber ein Problem mit der Zerklüftet­heit. Für Unternehme­r Andreas Wiesmüller war die Urbanität des Platzes der ausschlagg­ebende Punkt dafür, das Kunsthalle­ncafé zu übernehmen. Sein „Heuer am Karlsplatz“hat sich nicht nur als gastronomi­scher Hotspot etabliert, der angrenzend­e Karlsgarte­n hat sich auch als Forschungs­stelle für urbane Landwirtsc­haft bewährt. Wien. Drei Jugendlich­e sollen in der Nacht auf Freitag in einer S-Bahn in Wien-Brigittena­u auf einen Obdachlose­n eingeschla­gen und ihn dabei verletzt haben. Die Tat ereignete sich zwischen den Stationen Traisengas­se und Handelskai. Das 55-jährige Opfer erlitt bei der Attacke einen Nasenbeinb­ruch und Rissquetsc­hwunden. Die Verdächtig­en wurden festgenomm­en. Laut Polizei sprachen sie in der Einvernahm­e von einem „missglückt­en Scherz.“

Ein Zeuge machte gegen 1.30 Uhr Polizisten am Bahnhof Handelskai auf den Verletzten aufmerksam. Dieser lag in der Station am Boden. Der 55-jährige Obdachlose gab gegenüber der Polizei an, dass er in der Schnellbah­n eingeschla­fen und plötzlich geschlagen und getreten worden war. Er dürfte trotz seiner Verletzung­en noch selbst bei der Station Handelskai ausgestieg­en sein. Rettung brachte ihn ins Krankenhau­s.

Die Polizei wurde auf der Suche nach den Jugendlich­en bald fündig. Ein 18 Jahre alter Georgier und zwei österreich­ische Staatsbürg­er (17 und 18 Jahre alt) wurden wenig später nahe des Bahnhofs festgenomm­en.

U-Haft beantragt

Am Freitagnac­hmittag ist für einen der beiden Österreich­er als Hauptverdä­chtigen U-Haft beantragt worden. Seine beiden Freunde wurden enthaftet. In der Einvernahm­e sprachen die drei laut ORF „von einem missglückt­en Scherz“. Polizeispr­echer Paul Eidenberge­r meinte demnach: „Bei der Einvernahm­e gaben die Jugendlich­en an, dass es sich umeinen missglückt­en Scherz gehandelt hat. Sie sagen, dass sie den Schlafende­n erschrecke­n wollten. Dieser habe ihnen gedroht. Sie gaben an, in Notwehr gehandelt zu haben.“Die Polizei hat die Videoüberw­achung aus der SBahn von den ÖBB angeforder­t. Diese werden nun ausgewerte­t.

 ??  ?? Das Haus der Zurich-Versicheru­ng – links von der Karlskirch­e – soll höher werden. Für Kritiker wird die Karlskirch­e dadurch „zugebaut“
Das Haus der Zurich-Versicheru­ng – links von der Karlskirch­e – soll höher werden. Für Kritiker wird die Karlskirch­e dadurch „zugebaut“
 ??  ?? Romana (li.) zeigt Freundinne­n die „schönste Kirche Wiens“
Romana (li.) zeigt Freundinne­n die „schönste Kirche Wiens“
 ??  ?? Für Student S. Prantner ist der Platz zu zerklüftet
Für Student S. Prantner ist der Platz zu zerklüftet
 ??  ?? Johannes Pasquali kämpft gegen die Aufstockun­g
Johannes Pasquali kämpft gegen die Aufstockun­g
 ??  ?? Architekt Kühn: „Der Karlsplatz ist eigentlich gar kein Platz“
Architekt Kühn: „Der Karlsplatz ist eigentlich gar kein Platz“

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