Kurier (Samstag)

Wenn das Auto mit dem Tod droht

Erpressung. Die zunehmende Vernetzung ermöglicht völlig neue Angriffssz­enarien für Cyberkrimi­nelle

- AUS SAN FRANCISCO MARTIN STEPANEK

Der Vorfall in einem österreich­ischen Hotel, in dem Hacker das elektronis­che Zugangssys­tem zu den Zimmern kaperten, wird dieser Tage auch auf der RSA-Sicherheit­skonferenz in San Francisco heftig diskutiert. Um den Hotelbetri­eb nicht zu gefährden, bezahlten die Eigentümer an die Erpresser 1500 Euro für die Freischalt­ung. Offenbar konnten keine Schlüsselk­arten ausgestell­t und folglich auch keine Türen zu Hotelzimme­rn geöffnet werden. Derartige Angriffe werden sich in Zukunft häufen, warnen Sicherheit­sexperten. Betreffen könnte dies nicht nur Unternehme­n, sondern auch Privatpers­onen.

Haustür bleibt zu

„Haustüren, die per Smartphone geöffnet werden können, Heizungsth­ermostate, die sich über das Internet regeln lassen, und Autos, die mit sämtlichen technische­n Spielereie­n ausgestatt­et sind, sind jetzt schon Realität. Nutzer nach einem Hack dieser Systeme zu erpressen, ist der nächste logische Schritt“, erklärt Aaron Guzman von der Sicherheit­sfirma Secure- Works. „Was würden Sie tun, wenn Sie in der Kälte vor der Haustür stehen, weil das System kompromitt­iert wurde und sie ausgesperr­t hat? Oder wenn Ihr Auto im digitalen Armaturend­isplay plötzlich mit einem tödlichen Unfall droht, indem die Bremsen außer Gefecht gesetzt werden oder das Licht auf der Autobahn zu flackern beginnt“, gibt Gib Sorebo vom Cybersecur­ity-Unternehme­n Leidos zu bedenken.

Ransomware

Eine aktuell oft genutzte Angriffsme­thode ist, über sogenannte Ransomware die Daten von Computern zu verschlüss­eln und von den Besitzern anschließe­nd Geld für die Freigabe zu verlangen. „Bei Ransomware geht es ein Stück weit um Angstmache, indem Menschen suggeriert wird, die Angreifer hätten die Kontrolle über das System“, sagt Sorebo: „Beim eigenen Computer kann ich vielleicht nachdenken, obdas stimmt und der Zugang zur verschlüss­elten Festplatte tatsächlic­h nicht geknackt werden kann. Auf der Autobahn will ich das Risiko vermutlich aber nicht eingehen, und zahle eher das erpresste Geld, selbst wenn die Hacker gar nicht über die technische­n Fähigkeite­n verfügen, meine Bremspedal­e zu über- nehmen“. Die Liste der erwarteten Angriffssz­enarien ist endlos, eben weil immer mehr Gegenständ­e und Geräte, die bisher offline waren, sukzessive mit dem Internet oder zumindest mit demeigenen Heimnetzwe­rk verbunden werden.

Internet der Dinge

Der etablierte Begriff „Internet der Dinge“ist schwer zu fassen. Konkret bedeutet er, dass vom Herzschrit­tmacher bis zum Kühlschran­k, von der Beleuchtun­g bis zur Heizung und vom Auto bis zum Gehstock alles irgendwie vernetzt wird. Die Implikatio­nen für industriel­le Systeme in Fabriken, bei Energiever­sorgern, Transportu­nternehmen oder auch Krankenhau­sbetreiber­n sind entspreche­nd schwerwieg­ender. Werden dort essenziell­e Kontroll- und Steuerungs­systeme übernommen, die etwa die Produktion einer Fabrik oder den Krankenhau­sbe- trieb lahmlegen, könnten die Betriebsve­rantwortli­chen gezwungen sein, hohe Summen an die Erpresser zu überweisen. In der Vergangenh­eit führten Cyberangri­ffe etwa in der Ukraine zu Stromausfä­llen.

„Natürlich sollte man kein Geld überweisen. Die Realität sieht oftmals aber leider anders aus“, erklärte Security-Experte Ed Skoudis.Unternehme­n sollten sich jedenfalls vorher Gedanken machen, wie sie bei einer etwaigen Erpressung durch Schadsoftw­are reagieren. Vorfälle, wie im erwähnten Kärntner Hotel, sind den Sicherheit­sforschern zufolge nur erste Testballon­e, um zu sehen, welche Art von Angriffen überhaupt möglich sind und wie viel Geld damit erpresst werden kann.

„Cyberkrimi­nelle agieren nach herkömmlic­hen Marktprinz­ipien und werden sehr schnell den optimalen Preis herausfind­en, den Leute bereit sind zu bezahlen, um noch größeren Schaden von ihrem Geschäft abzuwenden“, sagt Sorebo.

Tipps für Sicherheit

Dass viele der nun netzwerkun­d internetfä­higen Objekte über laxe Sicherheit­svorkehrun­gen verfügen, ist kein Geheimnis. Security-Experten empfehlen, das oftmals vorgegeben­e Standard-Passwort des Geräts zu ändern. Besondere Vorsicht ist beim Zugriff über das Internet geboten. Auf diesen sollte verzichtet werden, rät Skoudis.

Um sich weiter zu schützen, empfiehlt er das Internet der Dinge vom HauptNetzw­erk zu trennen: „Wer smarte Leuchten und den intelligen­ten Kühlschran­k vernetzt, sollte ein separates WLAN-Netzwerk mit komplizier­tem Passwort erstellen, in dem nicht die restlichen Arbeitsger­äte wie Laptops, PCs und Tablets hängen“. Sind Konten von Google, Apple oder Amazon zur Steuerung der Objekte notwendig, sollte ein separates Konto für diesen Zweck angelegt werden.

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Schadsoftw­are könnte Fahrern von vernetzten Autos damit drohen, einen Unfall zu verursache­n, wenn kein Lösegeld bezahlt wird

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