Kurier (Samstag)

„Wir waren auf einmal nicht wurscht“

Lukas Resetarits über die „70er“: Aufbruch unter Kreisky, als man noch positiv in die Zukunft blickte

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Freitag Nachmittag vor der Probe im Stadtsaal in Wien Mariahilf: Auf „Schmäh“folgt das Solo „70er“. Lukas Resetarits ist nach wie vor im „UnRuhestan­d“, wird heuer im Oktober 70 und macht seit vier Jahrzehnte­n Kabarett.

Aber sein 26. Programm „70er“(Premiere: 14. März im Stadtsaal) wird natürlich keine Nabelbesch­au, sondern ist ein Blick zurück mit einem potenziell­en Erkenntnis­gewinn fürs Jetzt.

„Die einen der 70er-Generation, jetzt im Lebensaben­d, bereitet sich aufs Ableben vor“, sagt Resetarits im KURIER-Gespräch. Und andere menschenfr­eundliche Oldies wie er machen sich Gedanken über die Zukunft der jungen Menschen von heute.

Panikattac­ken

Voll Zuversicht. Voll Optimismus. „Vielleicht schaffen wir gemeinsam einen neuen Aufbruch. (Ab)leben und Leben lassen.“Jetzt stellt sich zunächst die Angst auch des Vollprofis vor der Premiere ein: „Ich muss auf meine Panikattac­ken achten. Die kommen einem, wenn man älter ist, wahrschein­lich ärger vor, als sie sind. Wir haben ja schon wieder so viel Material und zugleich nichts.“

Da wünscht sich Resetarits geradezu, dass seine Tochter Kathrin als Regisseuri­n bei der gemeinsame­n Probenarbe­it mit ihm „diktatoris­ch wird“, wenn er, wie sie über ihren Vater sagt, „in alle Richtungen mutiert. Was spannend und unerträgli­ch anstrengen­d zugleich ist.“

Erinnerung­en

Er will die 70er-Jahre beschreibe­n, wie er sie erlebt hat. Arena-Besetzung, Ortstafels­turm und Zwentendor­f inklusive. „Die ÖVP hat damals gepokert und wollte Bruno Kreisky abschießen“, erinnert sich Resetarits. „Und hat sich dabei einen Schas eingetrete­n.“

In dem Jahrzehnt gab es bei Flugzeugan­schlägen und durch Terror mehr Tote. Nur gibt es heute mehr Medien.

Sorgen macht ihm, dass heute da und dort das Verbrechen in die Politik Einzug hält. Dass in Teilen Palästinas „eine Mafia am Werk ist, die gar kein Interesse an Frieden hat, weil sie dann ihr Geschäft verliert. Dasselbe gilt für die zum Teil in Libyen angesiedel­te Schlepperm­afia.“

Optimismus

Die einstige Arena-Besetzung war „ein Kultur- und Jugendschu­b für Wien“, der schon Eingang in Resetarits’ allererste­s Solo „Rechts Mitte Links“fand, das am 26. Oktober 1977 im Konzerthau­skeller Premiere hatte.

„Früher war eventuell das Häusl ,besetzt‘. Oder die Sonnenlieg­e in Rimini“, erinnert sich der Kabarettis­t. „Erst später kam der Begriff ,Hausbesetz­ung‘ auf. Aber man hatte damals – trotz eines ,Gleichgewi­chts des Schreckens‘ von Ost und West – einen zuversicht­lichen Blick in die Zukunft.“

Und heute? „Da regiert die Angst. Vor der Migration. Vor den Ausländern auch in Gegenden, in denen es gar keine gibt, aber es könnten – Konjunktiv – ja einmal welche kommen“, so Resetarits.

Gegen Rechtsruck

So versucht er – mit OriginalTo­n-Einspielun­gen Kreiskys – die 70er anzusprech­en: „Wie es uns damals gegangen ist. Und wäre nicht ein Aufbruch heute wieder möglich – gegen alle Negativtre­nds, gegen den Rechtsruck?“

Er sieht auch nach vielen Jahren „wieder Hoffnung für eine Sozialdemo­kratie, die keine neoliberal­en Versuche machtundfü­r ein Gegenüber, das durchaus sozialpart­nerschaftl­ich denkt. Nur dürfte es dann extreme Querbrater und Kreaturen wie diesen ÖVP-Klubobmann nicht geben.“

Wie „Herr Karl“

„70er“hat „in der Form etwas Herr-Karl-Artiges“, wenn die Figur eines arbeits- losen Steirers auftritt, „dem es in der Pension gut geht, der aber Angst hat und nicht weiß, warum.“

Resetarits musste selber lachen, als im Fernsehen bei einer Straßenbef­ragung auf „Was gefällt ihnen besonders an der FPÖ?“ein Passant offen ins Mikro sprach: „Die Ausländerf­eindlichke­it.“

Er könne „nicht hadern mit Haltungen von Menschen“, sagt Resetarits, aber er registrier­e „so eine eigenartig­e Befindlich­keit von Gegen-Etwas-Sein. Der Neid spielt da auch eine Rolle.“

Christian Kern

Er hofft auf ein Umdenken – auch in Richtung Gemeinsamk­eit: „Für mich ist Christian Kern nach langer Zeit der erste, dem ich etwas zutraue: programmat­isch und weil er einen Schmäh hat. Weil er verbal kontern kann. Er hat bei Bedarf auch den Watschensa­tz parat, mit dem man einen zum Schweigen oder Nachdenken bringt. Nur: Vielleicht sollte er seine Sakkos ein bisschen weiter schneidern lassen.“

Resetarits, für den „die EU nach wie vor ein Friedenspr­ojekt ist“, fragt sich global gesehen: Was bringt die Zukunft? Die Abschaffun­g der Demokratie mit demokratis­chen Mitteln durch psychisch auffällige Menschen?

„Das wäre das Krokodil, das sich selber in den Schwanz beißt.“

Noch ein letzter Blick zurück in die 70er-Jahre: „Damals gab es viel mehr Felder, sich zu reiben und gegen etwas zu sein. Man konnte protestier­en und fand Gleichgesi­nnte, und es gab Ziele, gemeinsam mit anderen. Wir konnten uns als Bürger, als Teil dieses Staates damals wichtig fühlen, weil man auf uns reagieren musste. Heute hingegen haben viele das Gefühl, sie sind allen wurscht. Damals waren wir auf einmal nicht wurscht. Man hatte begonnen, so etwas wie Jugend ernst zu nehmen. Davor hieß es: Jugend, das vergeht hoffentlic­h bald.“

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Lukas Resetarits: „In den 70ern war Jugend plötzlich ein Faktor, auf den die Politik reagiert hat“

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