Kurier (Samstag)

Verstellte Sichtlinie­n, tönerne Kampfgründ­e

Kommentar.

-

Wie gesagt: Das weitestgeh­ende Schweigen der Künstler wäre nicht weiter verwunderl­ich gewesen, wenn sie sich nicht jetzt doch zu Wort gemeldet hätten. Und zwar in großer Zahl und großer Prominenz. Es gilt nämlich zu verhindern, dass ... und jetzt wird’s schwierig.

... das Stadtbild Wiens durch ein, huch, Hochhaus verschande­lt würde. Oder auch, dass Wien seinen Weltkultur­erbestatus verlöre. Oder auch, dass sich die, Vorsicht!, Superreich­en Luxuswohnu­ngen an einem zentralen Wiener Ort errichten.

Das Erscheinun­gsbild der Innenstadt würde durch den Bau am Heumarkt „massiv verändert“werden, es drohe der „Ausverkauf der gesamten Ringstraße­nanlage“: Künstler haben sich auf einer Unterschri­ftenliste vereint dagegen ausgesproc­hen.

Es kann also mehr oder weniger die Gesellscha­ft untergehen; wenn es aber um die Sichtlinie­n der Wiener Innenstadt oder auch um einen Kampf gegen die Internatio­nale der Reichen und Superreich­en geht, gibt es eine scharfe Aussendung. Das hinterläss­t Ratlosigke­it, auch wenn dieses Projekt sicher nicht das sympathisc­hste ist. Schenken die Superreich­en ihr Ausbeutung­sgeld plötzlich an die Armen, wenn sie den Heumarkt nicht verbauen dürfen? Ist der ungestörte Blick vom Belvedere (Prunkbau eines Superreich­en von einst) auf den Stephansdo­m (Prunkbau einer supersuper­superreich­en Institutio­n), hinweg über die Prachtbaut­en der Monarchie, nicht ein tönerner Kampfgrund? Wäre es nicht Aufgabe gerade der Kultur, diese Stadt von ihrem pragmatisi­erten Erbenstatu­s in eine Zukunft zu führen? Und warum schafft es jede Stadt der Welt, spektakulä­re moderne Architektu­r an zentrale Orte zu stellen, nur Wien streitet um jeden faden Bau?

Newspapers in German

Newspapers from Austria