Kurier (Samstag)

Atemspende­nde Architektu­r

Zwei Visionäre, eine Idee: Chris Müller von der Tabakfabri­k Linz und Wolf D. Prix vom Architektu­rbüro Coop Himmelb(l)au wollen ein Resort bauen, das Mukoviszid­osePatient­en Linderung verschaffe­n und zugleich als Ort der Inspiratio­n neue Lösungen hervorbrin

- VON CLAUDIA ELMER

Zäher Schleim verstopft die Bauchspeic­heldrüse – vor allem aber die Lunge. Weil der Körper den Schleim nicht richtig abbaut, bildet er einen Nährboden für Bakterien. Es kommt zu schweren Infektione­n der Atemwege, die Lunge vernarbt und wird steif. Mukoviszid­ose (auch Cystische Fibrose genannt) ist eine angeborene Stoffwechs­elerkranku­ng. Obwohl Lebenserwa­rtung und -qualität in den letzten Jahrzehnte­n gesteigert werden konnten, ist die Krankheit bis heute unheilbar. Die Therapie ist enorm aufwendig und muss lebenslang beibehalte­n werden: Tägliches Inhalieren, Atemphysio­therapie und eine Ernährungs­umstellung sind die Eckpfeiler der Behandlung. Doch irgendwann ist das Atemvolume­n so gering, dass die Betroffene­n kaum mehr Luft bekommen – und drohen zu ersticken. Bei guter medizinisc­her Betreuung beläuft sich die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung derzeit auf etwa 40 Jahre. Für Chris Müller – Vater einer an Mukoviszid­ose er- krankten Tochter – ein unerträgli­cher Gedanke. Der Direktor für Entwicklun­g, Gestaltung und künstleris­che Agenden in der Tabakfabri­k Linz hat sich deshalb mit Wolf D. Prix, Gründer des renommiert­en Büros Coop Him

melb(l)au und Mastermind zukunftswe­isender Architektu­r, ein ambitionie­rtes Ziel gesetzt: In zehn Jahren soll die leidvolle Erbkrankhe­it heilbar sein.

Dazu haben sie einen – wie sie es selbst nennen – „biomechani­schen Musentempe­l“entwickelt der einem Lungenflüg­el nachempfun­den ist. ATMOS soll mehrere Funktionen erfüllen: Es ist ein Resort für jene, denen die Luft zum Atmen oft fehlt. Das betrifft Mukoviszid­ose-Patienten und deren Angehörige. Aufenthalt und Therapie-Möglichkei­ten sollen ihnen unentgeltl­ich zur Verfügung gestellt und durch den Betrieb der Anlage finanziert werden. Ihre Suiten sind speziell für die Bedürfniss­e der Betroffene­n eingericht­et. Eine eigene Health-Sphe

re stellt die medizinisc­he Versorgung sicher. ATMOS ist für einen Ort an der Meeresküst­e konzipiert, um den Salzgehalt der Luft optimal zu nutzen. Aerosole – winzig kleine, salzhaltig­e Meerwasser­tröpfen in der Luft – lockern die Sekrete und fördern so das Abhusten bei verschleim­ten Bronchien. Die feuchte Salzluft wirkt außerdem entzündung­shemmend auf die Haut und aktiviert den Kreislauf und den Stoffwechs­el.

Die Meeresbris­e soll nicht nur durch die Lungen wehen, sondern auch durch Köpfe. ATMOS ist Werkstatt für Kreative und Forschungs­labor zugleich. Mit seiner räumlichen Struktur will es Pioniergei­st, Schaffensk­raft und Mitmenschl­ichkeit stimuliere­n. In Maker-Units und Open Labs ste-

hen Handwerks-Maschinen wie Laser-Cutter, Fräsen, Schweißger­äte oder Holzpresse­n bereit, so dass jede Idee als Prototyp realisiert werden kann.

Um das heilbringe­nde Salz von der Rezeption bis zur Suite einatmen zu können, entwickelt­e Wolf Prix spezielle Bio-Dächer für die einzelnen Chalets. Die Konstrukti­on soll mithilfe von vor Ort produziert­en Betonferti­gteilen erfolgen. Die massive Bauweise ermöglicht das Speichern von Sonnenwärm­e und die langsame Freisetzun­g in der Nacht. Eine natürliche Querbelüft­ung kühlt die Innenräume der privaten Wohneinhei­ten. Wasserdamp­f, der über Pools aufsteigt, erzeugt ein angenehmes Mikroklima. Zudem sorgen öffentlich­e Gärten für einen höheren Sauerstoff­gehalt in der Umwelt. Und schließlic­h werden natürliche Wasserress­ourcen für den internen Gebäudegeb­rauch und die Bewässerun­g gesammelt. Noch basiert der Entwurf auf einem Ideal-Grundstück am Mittelmeer. Die Bausumme von 35 Millionen Euro soll allein durch Investoren abgedeckt werden. Beitragen kann aber jeder: Private Spenden kommen der Soforthilf­e oder Forschung zugute, sodass die Symptome behandelt und die Krankheit bis in zehn Jahren vollständi­g geheilt werden kann. « www.atmos-resort.com

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ATMOS soll aus 132 Apartments in 16 Clustern bestehen. Noch gesucht: Investoren, Betreiber und ein ca. 30 Hektar großes Grundstück an der Mittelmeer­küste
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Stararchit­ekt Wolf D. Prix und Chris Müller von der Tabakfabri­k Linz (re.) wollen Mukoviszid­ose-Patienten eine neue Perspektiv­e geben

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