Kurier (Samstag)

EU: Arbeits-Migranten und Atomkraft befeuern Streit zwischen Kern & Orbán

Spannungen. Premier Viktor Orbán befürchtet Verschlech­terungen für Ungarn in Österreich – und droht mit Gegenmaßna­hmen.

- AUS BRÜSSEL INGRID STEINER-GASHI

Die Zukunft der EU stand beim Gipfel der EU-Staatsund Regierungs­chefs zur Debatte. Aber auch die Spannungen der Gegenwart regten Österreich­s Kanzler Christian Kern in Brüssel dazu an, das Gespräch zu suchen – mit Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán. „Offen und konstrukti­v“, habe man miteinande­r geredet, sagte er, gestand aber ein: „Inhaltlich gibt es große Differenze­n.“In allen offenen Fragen zwischen Wien und Budapest ist man sich einig, nicht einig zu sein. – Beschäftig­ungsbonus Besonders die Pläne der österreich­ischen Regierung zur Einführung des Beschäftig­ungsbonus für heimische Arbeitskrä­fte stoßen Orbán übel auf. Für Kern steht fest: „Aus unserer Sicht ist der Beschäftig­ungsbonus eindeutig europarech­tskonform.“Orbán konterte am Freitag vor Journalist­en: „Wir denken das nicht. Wir sagen, das hat Nachteile für ungarische Staatsbürg­er.“Eine Regierungs­kommission werde nun die Vorgänge in Österreich überprüfen, kündigte Orbán an. Der national-konservati­ve Premier drohte: „Wenn wir feststelle­n, dass sich die Situation für Ungarn in Österreich verschlech­tert, wird das auch Folgen für die Situation der Österreich­er in Ungarn haben.“Und: „Wenn Österreich die Freizügigk­eit der Personen einschränk­t, werden wir die freie Bewegung des Kapitals limitieren.“Ein unverhohle­ner Wink gegen Österreich­s Banken in Ungarn.

Die EU-Kommission hat dazu noch nicht offiziell Stellung genommen. Prinzipiel­l aber gelte: Gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am gleichen Ort. Das treffe auch auf Beitragsza­hlungen und Beihilfen zu. – Kürzung des Kindergeld­es Eine drohende, massive Verschlech­terung für seine Staatsbürg­er sieht man in Ungarn auch in den Wiener Plänen, die Kinderbeih­ilfe für im Ausland lebende Kinder ausländisc­her Arbeitnehm­er zu indexieren. Für ein ungarische­s Kind hieße das: Statt 150 Euro Kindergeld pro Monat gäbe es dann nur noch rund 80 Euro. Auch hierzu gibt es von der EU-Kommission noch keine offizielle Stellungna­hme. – AKW Paks Am Montag gab die EU-Kommission, ein oft gescholten­er Lieblingsg­egner Orbáns, den Ungarn überrasche­nd grünes Licht: Budapest darf den 12,5 Milliarden Euro teuren Ausbau des Kraftwerke­s mit Staatshilf­en finanziere­n. Für Österreich ein No-Go: „Österreich betrachtet die Beihilfe als unzulässig“, sagt Kerns Sprecher Nikolai Moser. Daher behalte sich Wien rechtliche Schritte gegen die Entscheidu­ng der EU-Kommission vor. – Steuerdump­ing Massive Kritik äußerte Kanzler Kern bereits mehrmals angesichts von Ungarns Plan, heuer den Körperscha­ftssteuers­atz für alle Unternehme­n im Land, auf neun Prozent zu senken. Das wäre der niedrigste Satz in der EU – und für Unternehme­n ein Anreiz abzuwander­n. Dies sei gegenüber anderen Staaten unsolidari­sch, beklagt Kern und schlägt vor: Unsolidari­sches Handeln, sei es nun in Steuerfrag­en oder in der Flüchtling­spolitik, solle sich in einer Kürzung der EU-Finanzmitt­el niederschl­agen. – Flüchtling­sfrage Auch Orbáns unnachgieb­ige Haltung in der Flüchtling­spolitik stößt bei Kern auf Unverständ­nis. Budapest lehnt die Aufnahme von Flüchtling­en laut EU-Quote kategorisc­h ab.

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Verbindlic­h im Ton, unverbindl­ich in den unterschie­dlich gesehenen Streitthem­en: Kanzler Kern (li.) und Premier Orbán in Brüssel

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