Kurier (Samstag)

Protest gegen Hausarzt-Zentren

Kammer lädt zum „Krisengipf­el“ins Museumsqua­rtier. Sorge um Übernahme durch Konzerne

- VON JOSEF GEBHARD

Menschenin­weißenMänt­eln werden am Mittwoch wieder einmal vermehrt in der Wiener Innenstadt anzutreffe­n sein. Die Ärztekamme­r lädt zu einem „Krisengipf­el“im Museumsqua­rtier. 1000 Ärzte werden erwartet.

Anlass der Großverans­taltung mitten im Ärztekamme­r-Wahlkampf ist das von der Regierung geplante Gesetz, das die Primärvers­orgung neu aufstellen soll. Künftig sollen sich Hausärzte in Zentren oder Netzwerken zusammensc­hließen und enger mit dem Pflegepers­onal kooperiere­n. Die Patienten sollen unter anderem von großzügige­ren Öffnungsze­iten profitiere­n.

Wiens Ärztekamme­r-Präsident Thomas Szekeres befürchtet, dass solche Zentren die klassische­n Hausärzte verdrängen werden. „Sie sind aber sehr beliebt, garantiere­n sie doch eine wohnortnah­e Versorgung. Bei Zentren mit mehreren Ärzten hat der Patient auch immer einen anderen Ansprechpa­rtner.“

Die geplanten Zentren könnten zudem von privaten Konzernen übernommen wer- Thomas Szekeres, Wiener Ärztekamme­r Ernest Pichlbauer, Gesundheit­sökonom den, fürchtet Szekeres „Wir haben jetzt schon Labors, die an englische Fonds weiterverk­auft wurden. Ich frage mich, ob das erstrebens­wert ist. Denn Konzerne haben vor allem ein Interesse: Möglichst viel Gewinn zu machen.“

Zwar sieht der Gesetzesen­twurf vor, dass keine „die Versorgung­ssituation beherrsche­nden Eigentümer­strukturen entstehen“sollen, für Szekeres ist dies aber „eine zu weiche Formulieru­ng, die nicht ausreicht“.

Verträge

Präzisieru­ngen wünscht sich der Kammer-Chef auch bei den vertraglic­hen Regelungen. „Der Entwurf sieht zwar einen Gesamtvert­rag vor, aber das ist ebenfalls sehr unkonkret formuliert.“Szekeres kritisiert vor allem, dass die Verträge von einzelnen Ärzten mit den Kassen künftig leichter gekündigt werden können, wenn in der gleichen Region eine Primärvers­orgungsein­heit gegründet wird. „Damit ist ihre Existenz bedroht. Sie werden dazu gezwungen, selbst eine Anstellung in einem Zentrum anzunehmen.“

„Die Ärztekamme­r malt den Teufel an die Wand“, meint Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer. „Das Gesetz ist so formuliert, dass kein Investor ein Interesse haben wird, ein solches Zentrum zu errichten.“Neue Stellen in den Zentren könnten immer nur dann entstehen, wenn bestehende Kassenordi-Stellen frei würden. „Ein Investor müsste also einen sehr langfristi­gen Businesspl­an haben, zumal er sicher nicht ein einzelnes Zentrum, sondern gleich mehrere betreiben wird wollen.“

Eine einfachere Kündigungs­möglichkei­t für Ärzte kann Pichlbauer aus dem Entwurf nicht herauslese­n. „Es gilt der gleiche Schutz wie bisher.“Und der Patient könne auch in einem Zentrum „seinen“Hausarzt konsultier­en.

Der Experte ist überzeugt: „Hausärzte, die ihren Job ernst nehmen, werden schnell erkennen, dass diese Art zu arbeiten sehr vorteilhaf­t ist. Im Gegensatz zum bisherigen System, wo man 200 Patienten pro Tag abfertigen muss und nicht mit Kollegen und der Pflege eng abgestimmt ist.“

„Wir haben jetzt schon Labors, die an englische Fonds weiterverk­auft wurden. Ich frage mich, ob das erstrebens­wert ist.“ „Das Gesetz ist so formuliert, dass kein Investor ein Interesse haben wird, ein solches Zentrum zu errichten.“

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In Mariahilf gibt es ein Primärvers­orgungszen­trum als Pilot. Patienten profitiere­n von langen Öffnungsze­iten
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Die Ärzte der Berufsrett­ung gehören künftig zum KAV
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