Boulevardzeitung outete Muslime, die der IS ermorden lassen will
Drohung.
Nachdem der sogenannte Islamische Staat zur Ermordung prominenter österreichischer Muslime aufgerufen hat, gefährdet auch noch die Boulevardzeitung Österreich die Sicherheit der Betreffenden. Und zwar, indem sie auf ihrer Website jenen Text aus dem IS-Online-Magazin Rumiyah veröffentlichte, in dem deren Namen zu lesen sind. Erst nach persönlicher Intervention der Bedrohten wurden die entsprechenden Textstellen geschwärzt.
Wie berichtet, hatte der IS in der deutschsprachigen Ausgabe von Rumiyah an Sympathisanten appelliert, Imame des Kufrs (des Unglau- bens) in Deutschland und Österreich zu ermorden. Diese wären „Abtrünnige“oder „Gelehrte des Übels“. Einer Handvoll Mitgliedern der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) wird vorgeworfen, Murtadd – also „vom Glauben abgefallen“– zu sein. Sie hätten sich schuldig gemacht, „zur Religion der Demokratie“aufzurufen und die Kufr-Integration zu fördern, heißt es in dem Artikel. Der Verfassungsschutz nahm die Drohung ernst und wurde umgehend aktiv.
Das hinderte Österreich aber nicht daran, die Bedrohten zu outen. Für diese „eine Katastrophe“, wie sie dem KURIER erzählen. Man sei massiv empört über „den Mangel an journalistischer Ethik und Verantwortung“. Die reißerische Berichterstattung des Boulevardblatts gefährde „nicht nur unsere persönliche Sicherheit, sondern auch die unserer Familien“. Man werde sich deshalb nun mit dem Verfassungsschutz beraten und erwäge rechtliche Schritte gegen die Redaktion.
Welches Kalkül steckt nun aber hinter den Mordaufrufen? Und wie ernst sind sie zu nehmen?
Das Ziel des IS
Terror-Experte Nicolas Stockhammer von der Universität Wien und der Landesverteidigungsakademie erklärt das strategische Ziel des IS so: „Es geht um die Interpretationshoheit der Dschihadisten über den Islam und letztlich um eine beabsichtigte Spaltung der Gesellschaft. Indem der moderate Mainstream zum Schweigen gebracht wird, soll das Bild vermittelt werden, dass es nur noch einen radikalen Islam, nur noch islamistische Tendenzen gibt. Wenn sich dann die Mehrheit der Gesellschaft in unseren Breiten gegen den Islam solidarisiert, treibt das genau jene Spirale der Polarisierung an, die es dem IS ermöglicht, wieder eigene Anhänger zu mobilisieren.“
Aufrufe wie den aktuellen müsse man ernst nehmen, meint Stockhammer. Als große Gefahr sieht er aber vor allem „die Selbstradikalisierung von Einzeltätern“. Eine organisierte Aktion vermutet er hinter Mordaufrufen wie diesem aber nicht.
Nach Einschätzung des Experten ist Österreich punkto Terrorgefahr längst keine Insel der Seligen mehr. „Drohungen gab es immer wieder“, sagt er. „Österreich ist ein Thema. Ich erinnere nur an Mohammed M., der in den Führungskaders des IS war. Da kann man schon davon ausgehen, dass Österreich auch im Visier etwaiger strategischer Angriffe ist. Österreich ist nicht so unbedeutend, wie das gemeinhin angenommen wird.“
Eine hohe Gefahr sieht Stockhammer in Personen, die sich radikalisieren. Wobei insbesondere das Internet „Hort der Radikalisierung“sei. Rumiyah ist online etwa in mindestens acht Sprachen zugänglich.