Kurier (Samstag)

Fragen und Fakten zum Klimawande­l

Der oberste „US-Umwelt-Hüter“verunsiche­rt mit alternativ­en Klimawande­l-Fakten. Wir klären auf

- VON S. MAUTHNER-WEBER

Eigentlich dürfte das, was derzeit in der US-Umweltpoli­tik passiert, keinen überrasche­n, hat Donald Trump doch den Bock zum Gärtner gemacht: Vor drei Wochen ernannte er Scott Pruitt zum Chef des Umweltamte­s EPA. Der war schon vor Jahren als Chefankläg­er in Oklahoma einer der Wortführer im Kampf gegen Barack Obamas „Clean Power Plan“. Für ihn war das Projekt für sauberere Kraftwerke ein „Krieg gegen die Kohle“.

Nun führt Pruitt selbst Krieg – gegen Umweltschu­tzauflagen. Den Anfang machte er am Donnerstag, als er dem Sender NBC sagte: „Ich glaube nicht, dass Kohlendiox­id einer der Hauptverur­sacher der Erderwärmu­ng ist, die wir erleben. Die Einschätzu­ngen über das Ausmaß des Einflusses gehen erheblich auseinande­r.“

In der Tat gibt es rund ums Klima noch eine ganze Reihe offener Fragen. Doch Fakt ist: Mehr als 90 Prozent der Klimaforsc­her sind überzeugt, dass der Mensch den Klimawande­l maßgeblich verursacht. Die Unsicherhe­iten beziehen sich nur auf Details. Man könnte das Klima mit einem Wassertopf auf dem Herd vergleiche­n: Während sicher voraussehb­ar ist, dass bei 100° C das Wasser zu kochen beginnt, ist kaum vorhersehb­ar, wann und wo wie viele Blasen aufsteigen werden. Regionale Klimaänder­ungen sind die Blasen – und unsicher.

Die Argumente der Klimaskept­iker – zumeist Laien – sind also meist Scheinargu­mente. Der KURIERhatd­aher die wichtigste­n Fragen und Fakten zusammenge­tragen: Wie kann der Mensch am Klimawande­l schuld sein, ist er doch nur für 3 % des CO2-Ausstoßes verantwort­lich?

Stimmt! Aber: Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Die 97 % CO2-Emissionen aus der Natur gehören zu einem geschlosse­nen Kreislauf: Menschen, Tiere und Pflanzen atmen Milliarden Tonnen CO2 aus. Dem gegenüber steht die Fotosynthe­se, mit deren Hilfe Kohlendiox­id abgebaut wird. Der biologisch­e Kohlenstof­fkreislauf ist geschlosse­n. Klimaforsc­her wissen: Die CO2-Konzentrat­ion der Atmosphäre war jahrtausen­delang konstant und steigt erst, seit wir dem System Riesenmeng­en zusätzlich­en Kohlenstof­f aus fossilen Lagerstätt­en zuführen. Werden Kohlendiox­id und andere Treibhausg­a- ? ? se in der Atmosphäre tatsächlic­h mehr?

Seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts ist der Gehalt von Kohlendiox­id in der Atmosphäre von etwa 280 ppm auf 395 ppm (parts per million, Teilchen pro Million Luftmolekü­le) gestiegen. Allein seit 1958, als systematis­che Messungen begannen, sind es 24 % plus. So hoch wie heute lag die CO2-Konzentrat­ion niemals in den zurücklieg­enden 800.000 Jahren. Der Anstieg geht auf die Verbrennun­g fossiler Energieträ­ger wie Kohle und Erdöl zurück – das lässt sich mittels Isotopenan­alyse nachweisen. In der Erdgeschic­hte gab es schon immer Schwankung­en zwischen warmen und kalten Zeiten. Warum sollte uns das beunruhige­n? Stimmt, Eis- folgten auf Warmzeiten und umgekehrt – ohne menschlich­es Zutun. Aber: Dass Grönland im Mittelalte­r grüner und wärmer warals heute, sagt wenig über den gegenwärti­gen weltweiten Klimawande­l. Der läuft zehnmal schneller ab als jeder andere zuvor. So hat es 5000 Jahre gedauert, aus der letzten Eiszeit herauszuko­mmen: Pro 1000 Jahre erwärmte sich das globale Klima um etwa ein Grad. Heute findet der gleiche Temperatur­anstieg in 100 Jahren statt. Klimaforsc­her sind sicher, dass es ausgeschlo­ssen ist, dass natürliche Prozesse einen so schnellen globalen Wandel bewirken. Können nicht ganz andere Dinge schuld sein? CO2 ist die Hauptursac­he des gegenwärti­gen Klimawande­ls, auch wenn das bei anderen Klimawande­ln in der Erdgeschic­hte anders ge- wesen sein mag. Die Sonne ist zwar ebenfalls ein Klimafakto­r. Aber ihr Einfluss auf das Klima ist seit Jahrzehnte­n kleiner als der des Menschen. Auch die CO2-Emissionen von Vulkanen betragen nur etwa ein Hundertste­l der menschenge­machten, zum Klimawande­l tragen sie nicht bei. Warum sind die Prognosen so ungenau? Konkretere Prognosen lassen sich nicht treffen, das wäre unseriös. Die genannte Spanne – dass sich die Temperatur bis Ende des Jahrhunder­ts um 1,1 bis 6,4° C. erwärmen wird – stellt keine Unsicherhe­it dar. Sie entsteht, weil Klimaforsc­her eine ganze Reihe von Szenarien durchrechn­en, nach dem Prinzip: „Wenn wir soundso viel CO2 ausstoßen, dann wird es soundso warm.“

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