Mut zur Krücke
„Pro(s)thesis“an der Akademie der bildenden Künste
Wir leben in einem Zeitalter der Prothese. Allerdings humpeln wir nicht mehr auf Holzbeinen oder kompensieren den Verlust eines Sehorgans durch ein Glasauge, wie es in der Zeit nach den großen Kriegen der Fall war: Prothesen sind heute weniger Ersatzteile als vielmehr Hilfsmittel zur Selbstoptimierung, vom Smartphone und der Datenbrille bis zum Silikonbusen. Die Populärkultur ist auch Prothesenkultur und weist den Weg – man denke nur an die hochgerüsteten Körper von Superhelden und -heldinnen.
An der Akademie der Bildenden Künste hat man sich ebenfalls dieses spannenden Feldes angenommen und eine kluge Ausstellung produziert, die bis 14. Mail neben dem Schauraum „xhibit“auch die ehrwürdigen Räu- me der Gemäldegalerie umfasst – eine Verschränkung von Alt und Neu, wie sie künftig öfter praktiziert werden soll, sagt GemäldegalerieChefin Julia Nauhaus.
Die Kuratorinnen Berenice Pahl und Felicitas ThunHohenstein haben eine spezielle Perspektive auf das Themagewählt: Sie zeigen Werke von Künstlerinnnen, die die Nützlichkeit, die Ästhetik oder auch den Fetischcharakter von Prothesen-Objekten gegen den Strich bürsten.
Alternative Prothesen
Insbesondere in der Gemäldegalerie kommt es dabei zu außergewöhnlichen, mitunter auch witzigen Konstellationen: Birgit Jürgenssens „Horse“von 1973 – eine Reiterstandbild-Persiflage , bei dem ein jämmerlicher Plüsch-Phallus auf den Rücken eines Pferdes geschnallt ist – steht etwa inmitten heroischer Ansichten venezianischer Plätze. Toni Schmales „Queening Machine“, ein monströses Gebilde zwischen Fitnessgerät und Folterinstrument, kommt vor Rubens’ Gewaltszene „Boreas entführt Oreithyia“zu stehen. Vor Hieronymus Boschs „Weltgerichtstryptichon“hat Künstlerin Kerstin von Ga- bain drei pinke Tische aufgestellt, deren Abmessungen jenen der Altartafeln entsprechen. Darauf platziert liegen Abgüsse von Markknochen, die in Material und Farbe auch an Wachskerzen oder Zuckerl erinnern: Sie dienen, gewissermaßen „pars pro toto“, als eigene Charaktere, die ähnlich den Figuren im Bild zueinander in Beziehung treten.
In den „xhibit“-Räumen berühren insbesondere die Werke der Künstlerinnen Lisa Bufano und Mari Katayama: Beide – in einem Fall wegen einer Infektion, im anderen aufgrund einer seltenen Krankheit – mussten mit amputierten Gliedmaßen leben lernen und erfanden ihren Körper mit außergewöhnlichen Prothesen und Inszenierungen neu: Kunst wird hier Mittel zur Selbstermächtigung und Schönheit. Und zwar für jede und jeden.