Kurier (Samstag)

Keine Insel der Seligen mit Spinnern, Spießern und einer Femme fatale

Kritik.

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Sieben Bewohner auf einer einsamen Insel am Ende der Welt. Die vermeintli­che Idylle wird zur Hölle. Wer hat die zwei Schüsse abgefeuert? Was ist passiert? Und warum?

Das Leben schreibt die unglaublic­hsten Geschichte­n. Autoren schreiben sie für die Theaterbüh­ne nach. Das bedeutet diesmal keineswegs ungetrübte­s Glück bei Felix Mitterer, der zuletzt mit „Jägerstätt­er“und „Der Boxer“überzeugen konnte.

Sein auf wahren Begebenhei­ten in den frühen 1930er-Jahren basierende­s Aussteiger­drama „Galápagos“, Donnerstag in der Josefstadt in der Regie von Stephanie Mohr uraufgefüh­rt, kommt in den Charakterz­eichnungen nur langsam in die Gänge.

Der deutsche Arzt und von Nietzsche fasziniert­e Philosoph Ritter, von Raphael von Bargen rollendeck­end gespielt, wächst einem mit seiner großen Eitelkeit, ins Lächerlich­e gehenden Bornierthe­it und mangelnden Affektkont­rolle nicht gerade ans Herz.

Umso mehr die ihm bedingungs­los ergebene Gefährtin Dore Strauch: Eva Mayer gibt die geschunden­e Seele, gezeichnet von multipler Sklerose, Misshandlu­ngen – und Frust. Denn er – ein Menschenfe­ind und eine Art Sektenführ­er in einer Person – will die Einsamkeit, sie aber Zweisamkei­t im Inselparad­ies.

Spießer auf der Suche nach einer mit Speckwürst­el und Weihnachts­plätzchen garnierten neuen Heimat sind das naiv-bodenständ­ige Ehepaar Wittmer (Peter Scholz und Pauline Knof).

Die Wildnis der Natur. Das hier Vertraute im Anderswo. Oder das an den Inselstran­d hingeklotz­te Luxushotel. Jeder hat eine andere Vorstellun­g vom Paradies. Vom Leben sowieso. Und tut’s in diesem Fall ein bisschen sehr geschwätzi­g kund.

Exzentrik ins Spiel bringt Ruth Brauer-Kvam als überdrehte, von zwei Liebhabern (Roman Schmelzer und Matthias Franz Stein) begleitete Baronin Eloise Wagner de Bousquet, für die „Männer wie Hunde“sind. Eine Hochstaple­rin und Betrügerin, Diva und zähneflets­chende Femme fatale.

Sperriges mit Slapstick

Aber was realiter einmal ein spannender Krimi war, ein Freilandex­periment mit nie geklärtem Ausgang, gestaltet sich auf der von Miriam Busch mit Unmengen an zerknüllte­m Zeitungspa­pier ausstaffie­rten Bühne spröde. Immer wieder von der Decke fallende riesige Leinwände illustrier­en die Szenen.

Aber braucht ein Thriller wirklich noch Slapstick und Karikatur? Nur wenn der Text Papier bleibt und träge wie die rotierende Drehbühne.

Was ist wirklich passiert? Und vor allem drängt sich im Psychodram­a die Frage auf, auf die es so oft im Leben keine Antwort gibt: Warum?

„Die Hölle, das sind die anderen“, stand schon bei Jean-Paul Sartre. Bei Mitterer klingt’s trivial: „Die Welt könnte so schön sein, wäre der Mensch kein Tier.“

Dass am Ende die biederen Pragmatike­r Wittmer überleben, ist da schon ein geradezu zynischer Witz.

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Roman Schmelzer, Ruth Brauer-Kvam und Matthias Franz Stein

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