„Gewerkschaft kann die Einigung nicht grundsätzlich infrage stellen“
Interview. VP-Verhandler Mahrer & Haslauer zu Protesten der VP-Lehrer
KURIER: Ist das nun die bestmögliche Reform, oder nur der bestmögliche Kompromiss? Wilfried Haslauer: Natürlich sind wir in einem Spannungsfeld der unterschiedlichsten Interessen von Bund und Ländern, von Zentralisten und Föderalen, auch bildungspolitisch gibt es unterschiedliche Interessengruppen. Aber zum Schluss haben wir einen guten Weg gefunden. Harald Mahrer: Es ging ja immer um die Interessen der 1,1 Millionen Schüler in Österreich. Und darum, eine Organisationsstruktur zu schaffen, damit die Pädagogen für die Schüler das Beste herausholen können. Die Gewerkschaft sieht das nicht so, sie verweigert ein Ja. Haslauer: Ich habe jedes Verständnis dafür, dass die Gewerkschaft die Interessen der Lehrer vertritt. Sie sind die entscheidenden Partner im System. Aber natürlich gibt es Grenzen, wie weit wir ihnen in den Verhandlungen entgegengehen können. Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger erwartet sich noch „substantielle Änderungen“. Was können Sie sich vorstellen? Mahrer: In der Begutachtung kann jeder Ideen einbringen, dafür ist sie da. Aber wir haben eine Bund-Länder-Einigung im Interesse der Schüler. Und die wird halten, da sind wir uns alle einig. Die Regierung hat gesagt, die Einigung mit der Gewerkschaft sei Bedingung für die Reform. Danach sieht es aber nicht aus. Mahrer: Wir haben immer gesagt, es gibt eine sozialpartnerschaftliche Abstimmung, etwa beim Besoldungsrecht. Aber die kann nicht grundsätzlich unsere Bund-LänderEinigung infrage stellen. Sie würden auch ohne Zustim- mung der Sozialpartner die Reform beschließen? Mahrer: Es gab ja schon Einigung in allen zentralen Punkten. Das war vergangenen Sonntag, und so ist uns das kommuniziert worden. Wenn es technische Fragen gibt, ist das natürlich legitim, und wir werden uns das ansehen. Und wie wird die Schule durch diese Reform besser? Haslauer: Was die Kinder wirklich brauchen, das wissen die Lehrer am besten, die vor Ort vor ihnen stehen. Unser Ziel war, die Pädagogen nicht an eine kurze, sondern an eine sehr lange Leine zu nehmen. Weniger Vorgaben und Regulative und mehr Vertrauen in die Experten vor Ort. Und es ging darum, dass Bildungspolitik nicht über einen Leisten geschoren werden kann, denn die Anforderungen an einer Wiener Schule sind andere als an eine Kleinstschule am Land. Mahrer: Das Bildungssystem braucht vor Ort mehr Beweglichkeit, um auf individuelle Bedürfnisse eingehen zu können. Für mich ist die Reform auch das Aufschneiden eines sehr engen Korsetts, um jetzt mehr Luft atmen zu können. Welche Änderungen werden Schüler und Eltern merken? Mahrer: Spüren wird man es etwa an f lexibleren Öffnungszeiten, je nach Bedarf kann die Schule früher aufsperren oder später schließen. Der Unterricht wird anders sein, sich anders anfüh- len. Keine starren 50-Minuten-Einheiten, Fächer werden aufgemacht, mehr Projekte. Es wird viel mehr Möglichkeiten geben, auf die individuellen Notwendigkeiten vor Ort zu reagieren. Und wir können die vielen Kleinstschulen mit den neuen Clusterstrukturen erhalten. Haslauer: Bei Schwerpunktschulen – wie etwa Technik, Sport – kann die Schulleitung viel zielgerichteter neue Lehrer anwerben. Und in den Clustern kann man auch die Pädagogen besser in ihren Spezialfächern einsetzen. Das ist nicht immer der Fall. Dennoch wird weiterhin nichts ohne die Zustimmung der jeweiligen Länder gehen. Warum? Haslauer: Ich bekenne mich dazu, dass die Länder ein ganz wichtiges Mitspracherecht haben müssen, weil wir sicher besser als das Ministerium die Probleme vor Ort kennen. Es wäre ein Wahnsinn, die Länder aus der Bildungsstruktur herauszunehmen. War je angedacht, dass Direktoren Lehrer kündigen können? Mahrer: Wir werden uns auch dieser Debatte in Zukunft stellen müssen. Es soll einfacher werden, aber das ist eine langfristige Entwicklung. Haslauer: Es gibt schon einen Grundpfeiler im öffentlichen Dienst, den Kündigungsschutz. Da muss man realistisch bleiben, das wird man nicht aufmachen können.