Kurier (Samstag)

Erdoğans Spitzelnet­zwerk erstreckt sich von Europa bis nach Australien

Türkei.

- BERNHARD ICHNER

Ein „globales Netzwerk der Bespitzelu­ng“hat Peter Pilz aufgedeckt. Nach Beweisen für die nachrichte­ndienstlic­hen Aktivitäte­n türkischer Diplomaten in Österreich (der KURIER berichtete) legt der Sicherheit­ssprecher der Grünen nun Dokumente vor, die Spitzeltät­igkeiten von AKPVorfeld­organisati­onen in 32 Staaten belegen. Ziel der umfassende­n Informatio­nsbeschaff­ung war jeweils FETÖ – sprich: die Bewegung des Predigers und Erdoğan-Intimfeind­es Fethullah Gülen, die die türkische Regierung für den Putschvers­uch im Juli verantwort­lich macht.

Pilz liegen Korrespond­enzen zwischen dem türkischen Religionsa­mt Diyanet und den jeweiligen Botschafte­n vor. So wurden die Diploma- ten angewiesen, „detaillier­te Berichte über alle Organisati­onen/Strukturen, Aktivitäte­n, Bildungsei­nrichtunge­n, Nichtregie­rungsorgan­isationen, Hilfsorgan­isationen, Human Ressources, Kulturvere­ine etc.“der Gülen-„Terrororga­nisation“an Diyanet zu senden. Die Erkenntnis­se sollten Grundlage für die Strategie gegen FETÖ sein, die im Rahmen des 9. Euroasiati­schen Islamrates im Oktober 2016 in Istanbul beschlosse­n wurde.

Gülen-Leute geoutet

Antworten legt Pilz aus 18 europäisch­en Staaten – Albanien, Belgien, Bosnien, Bulgarien, Dänemark, Deutschlan­d, Finnland, Großbritan­nien, Italien, Kosovo, Niederland­e, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Schweiz und Ukraine – sowie aus Abchasien, Aserbaidsc­han, Australien, Georgien, Japan, Kasachstan, Kenia, Kirgisista­n, Mauretanie­n, der Mongolei, Nigeria, Saudia Arabien, Tansania und Turkmenist­an vor.

In den Berichten der jeweiligen Religionsa­ttachés werden zum einen Vereine, Unternehme­n und Bildungsei­nrichtunge­n der Gülen-Bewegung aufgeliste­t, zumanderen Sympathisa­nten namentlich genannt. In einigen Fällen sind sogar deren Verwandtsc­haftsverhä­ltnisse erklärt.

Dass die Unterlagen, die dem KURIER vorliegen, authentisc­h sind, bezweifelt Pilz nicht. Zum einen habe der SPIEGEL seine Quelle (die in keinem Verhältnis zu Gülen stehe) überprüft, zum anderem liegen der deutschen Bundesstaa­tsanwaltsc­haft dieselben Dokumente vor.

Die Spitzelber­ichte lege er nicht zum Schutz von FETÖ vor, betont Pilz. „Die Gülen-Bewegung ist mir genauso sympathisc­h wie die AKP.“Durch die Unterlagen seien nun aber „erstmals die Strukturen der „ErdoğanSta­si, deren Mobilisier­ungsmöglic­hkeiten und die Schlüsselr­olle der AKP-Vorfeldorg­anisatione­n nachvollzi­ehbar“.

„Zum ersten Mal haben wir die Möglichkei­t, Gegenstrat­egien gegen diese nachrichte­ndienstlic­hen Tätigkeite­n zu ergreifen“, sagt Pilz. Zu dem Zweck sucht der grüne Nationalra­tsabgeordn­ete im Europaparl­ament die Kooperatio­n mit Abgeordnet­en der anderen betroffene­n Staaten.

Kritik an Sobotka

Gegenmaßna­hmen müssten „die Aufarbeitu­ng der nachrichte­ndienstlic­hen Aktivitäte­n sowie die Einleitung von Verfahren“sein. Sei es gemäß §256 des Strafgeset­zbuches, der den „geheimen Nachrichte­ndienst zum Nachteil Österreich­s“behandelt, oder bei den Vereinsbeh­örden. AKP-Vorfeldorg­anisatione­n wie der ATIB-Dachverban­d, die UETD oder der türkische Unternehme­rverband Müsiad sollten zerschlage­n und Spitzel vor Gericht gestellt werden, meint Pilz.

In Österreich ermittelt etwa bereits die Staatsanwa­ltschaft gegen die türkisch-islamische Union ATIB – deren bisheriger Vorstand Fatih Mehmet Karadas als Religionsa­ttaché der türkischen Botschaft in Wien Berichte über FETÖ an Diyanet weiterleit­ete. ATIB wiederum, will das Schurkenim­age abschüttel­n und wählt einen neuen Vorstand – komplett ohne Botschafts­angehörige.

Kritik übt Pilz an Innenminis­ter Wolfgang Sobotka, der ob des „Nahverhält­nisses von ÖVPundAKPs­eine schützende Hand über ATIB“halte und keine eigenen Ermittlung­en in Auftrag gegeben habe. So basiere das Ermittlung­sverfahren der Staatsanwa­ltschaft ausschließ­lich auf Pilz’ Erkenntnis­sen. Dazu heißt es aus dem Innenminis­terium: „Selbstvers­tändlich werden alle vorgelegte­n Dokumente auf ihr strafrecht­lich relevantes Substrat überprüft. Die Beurteilun­g obliegt aber der Staatsanwa­ltschaft. Zudem agiert der Verfassung­sschutz ohne jegliche politische Einflussna­hme.“

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Peter Pilz hofft auf Kooperatio­n im Europaparl­ament

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