Österreich lässt in Brüssel Milliarden für Projekte liegen
Finnen holen sich fast neun Mal so viel Geld ab – weil Private und Staat besser kooperieren
Um das schwache Wachstum anzukurbeln, erfand die EU 2015 den Juncker-Plan: Der Geldtopf soll Projekte im Wert von 315 Milliarden Euro finanzieren – von Windparks über Spitäler bis hin zur Digitalisierungsoffensive. Die Halbzeitbilanz zeigt: Das Ziel dürfte erreicht werden. Finnland und Irland schöpften den Topf gemessen an der Einwohnerzahl bisher am besten aus. Österreich liegt nur auf Platz 23 von 28 Ländern. Der Grund: Es gibt keine Tradition gemeinsamer Finanzierungen von Privaten und öffentlicher Hand. Brisantes Detail: Just die abtrünnigen Briten haben sich Projekte um fast 22 Milliarden Euro mitfinanzieren lassen.
Solche Pointen kann man nicht erfinden: Ausgerechnet die abtrünnigen Briten haben sich alles in allem am stärksten aus dem EU-Topf zur Ankurbelung der Investitionen bedient.
Zur Erinnerung: Um die schwache Konjunktur zu beleben, wurde Mitte 2015 der Juncker-Plan ins Leben gerufen. Bis 2018 soll der Topf, der korrekt EFSI heißt („Europäischer Fonds für Strategische Investitionen“), 315 Milliarden Euro mobilisieren. Und zwar von privaten Investoren, abgesichert mit Garantien von der „EU-Hausbank“, der Europäischen Investitionsbank (EIB).
Zur Halbzeit liegt dem KURIER eine Auswertung vor, welche EU-Länder besonders profitiert haben. Siehe da: Das Vereinigte Königreich hat den Infrastruktur-Topf am stärksten ausgeschöpft. Die Briten ließen sich Projekte um fast 22 Milliarden Euro mitfinanzieren. Etwa im selben Ausmaß haben Italien, Spanien und Frankreich profitiert. Deutschland holte ungefähr 15 Milliarden Euro ab.
Österreich unter Ferner liefen
Aber nicht nur die Großen haben sich bedient. Gemessen an der Einwohnerzahl (siehe Grafik) hat Finnland besonders tief in den JunckerTopf gegriffen, zeigt die Studie der Brüsseler Denkfabrik CEPS. Die Finnen sicherten sich Finanzierungen von etwa 520 Euro pro Einwohner, dicht gefolgt von Irland und Spanien.
Wo liegt Österreich? Weit abgeschlagen mit rund 60 Euro pro Einwohner auf Platz 23. Erst eine Handvoll Projekte war Ende 2016 bewilligt: ein Windpark, der Ausbauvondrei Krankenhäusern in Wien, eine Agrana-Stärkeanlage, ein Kreditrahmen für innovative Kleinunternehmen (KMU). Das war’s.
Warum lässt Österreich, das sonst bei EUProjekten gut abschneidet, so viel Geld liegen? „Wirhabenerst Halbzeit“, sagt EFSI-Direktor und Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer zum KURIER. Einige weitere Projekte seien mittlerweile genehmigt oder stünden kurz davor: Mit Ende März zählt er heimische KMU-Projekte über 280 Mio. Euro und Infrastrukturvorhaben mit 390 Mio. Euro Investitionsvolumen: „Das ist gar nicht so wenig.“
Eigentlich sollten noch 170 Mio. Euro dazugerechnet werden, findet die Förderbank aws. Sie habe „in der Juncker-Plan-Pilotphase“eine Rückgarantie vereinbart, die offiziell nicht dazu zähle. Das jüngste Projekt: Der aws-Business-Angels-Fonds wird dank EFSI um 10 Millionen Euro aufgestockt.
„Die Briten haben es erfunden“
Eine fixe Länderquote gebe es imJuncker-Plan freilich nicht, betont Molterer. Einzig und allein die eingereichten Projekte entscheiden. Und da sieht er in Österreich zwei Mankos: Es fehle eine Beratungsstruktur, die den Gemeinden und Ländern assistiert. Das sei „in grauer Vorzeit“die Kommunalkredit gewesen. Und: In anderen Ländern würden Infrastruktur-Projekte von Privaten und der öffentlichen Hand gemeinsam gestemmt. In Österreich mangle es an der nötigen Kapitalmarktkultur, bedauert Molterer: „Es fehlt der politische Push.“Die Briten hingegen hätten diese Public-Private-Partnerships (PPP) in den 1980ern erfunden, sagt CEPS-Studienautor Jorge Núñez Ferrer. Das erkläre die hohe Ausschöpfung: „Dort wird alles so finanziert.“
Wie ist sein Urteil über den Juncker-Plan als Ganzes? Das Kalkül, mit 21 Milliarden EUGeld als Garantie insgesamt 315 Milliarden Euro Investitionen auszulösen, dürfte aufgehen, sagt der Spanier: Zur Halbzeit waren 164 Milliarden Euro – 52 Prozent – freigegeben. Die EU-Staaten haben schon zugestimmt, den Juncker-Plan bis 2020 zu verlängern.