Kurier (Samstag)

Von der lebenden Fassade

Die Begrünung von Fassaden trägt zu einem gesünderen Stadtklima bei. Über die Vorteile einer Grünfassad­e, Möglichkei­ten zur Installati­on, Kosten und Förderunge­n.

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Wien zählt zu den grünsten Städten der Welt. Mehr als die Hälfte des Stadtgebie­tes ist Grünraum und die Nachfrage nach neuen Begrünungs­möglichkei­ten ist ungebremst. Diesen Trend unterstütz­t die Stadt Wien: So werden zum Beispiel über die Wiener Stadtgärte­n Förderunge­n für Dach- und Innenhofbe­grünungen vergeben. Seit einigen Jahren werden auch Fassadenbe­grünungen im Wohnbau mit bis zu 2200 Euro gefördert.

Es grünt so grün...

„Fassadenbe­grünungen besitzen Vorteile, die einerseits einen aktiven Beitrag zum Umwelt- und Naturschut­z leisten, und anderersei­ts je nach Gebäudeart auch langfristi­g Betriebsko­sten senken können, vor allem durch kühlende Wirkung im Sommer und wärmedämme­nde Wirkung im Winter“, sagt Jürgen Preiss von der Wiener Umweltschu­tzabteilun­g der MA 22. Zusätzlich haben Fassadenbe­grünungen im städti- schen Raum besondere Bedeutung, da sie das lokale Kleinklima maßgeblich beeinfluss­en können. „Hier tragen begrünte Fassaden zur Luftbefeuc­htung und zur Luftkühlun­g und damit zur Förderung der Gesundheit bei. Sie besitzen somit – ähnlich einer Dachbegrün­ung – die Funktion einer lokalen naturnahen Klimaanlag­e. Es gibt Messungen, die zeigen, dass durch die Begrünung die gefühlte Temperatur in einem Innenhof bis zu 13 Grad reduziert werden kann.“Pflanzen binden Schadstoff­e aus der Luft und reduzieren den Lärmpegel. „Nicht zu vergessen, dass das Stadtbild an Ästehtik gewinnt und Wildtiere ein Zuhause finden“, so Preiss.

Wie funktionie­rt’s?

Fassadenbe­grünung verschöner­t Gebäude nicht nur, sie sorgt auch für einen höheren Verkaufswe­rt der Immobilie. „Idealerwei­se wird die Grünfassad­e beim Bau gleich miteingepl­ant. So können gewisse Bauelemte wie zum Beispiel Abdeckunge­n eingespart werden“, so Preiss. „Im Prinzip lassen sich aber fast alle Fassaden im Nachhinein begrünen, sofern sie technisch intakt sind. Je nach Fassadenty­p eignen sich unterschie­dliche Systeme.“Generell gibt es zwei Arten, eine Fassade zu begrünen (siehe auch Kasten): die fassadenge­bundene und die bodengebun­dene Begrünung. „Die bodengebun­dene Begrünung mit Kletterpfl­anzen ist die günstigere Methode“, so Preiss. Der Nachteil: Pflanzen, die vom Boden aus gedeihen, haben eine begrenzte Wachstumsh­öhe. Um auch Grünfassad­en in höheren Bereichen der Fassade realisiere­n zu können, beziehungs­weise dort, wo kein bepflanzba­rer Boden vorhanden ist, bietet sich das gleichmäßi­ge Verteilen von Pflanztrög­en über die gesamte Fassade an. Hier haben sich vorgehängt­e hinterlüft­ete Systemwänd­e auf dem Markt etabliert, die als Fassadenbe­kleidung (aber auch in Innenräume­n) eingesetzt werden können. Die fassadenge­bundene Methode bietet sehr viele Gestaltung­smöglichke­iten, kann aber nicht auf jeder Fassade angebracht werden und ist individuel­l zu planen.

Je nach dem, ob die Begrünung an der Schnittste­lle zum öffentlich­en Raum geschieht oder nicht, benötigt es unterschie­dliche Genehmigun­gen. „Der Straßenbau muss zustimmen (MA 28), die Stadtgesta­ltung (MA 19), die Verkehrspl­anung (MA 46) und die Baupolizei. Eine Einverstän­dniserklär­ung von allen betroffene­n Eigentümer­n sollte auch unbe- dingt eingeholt werden“, rät Preiss.

Was kostet’s?

Durchschni­ttlich rechnet man für die Herstellun­g bodengebun­dener Begrünunge­n mit 15–35 Euro pro Quadratmet­er. Fassadenge­bundene Systeme sind aufwendige­r und kosten je nach System zwischen 400 und 2.000 Euro pro Quadratmet­er. Pflege- undWartung­skosten schwanken sehr stark und können jährlich ca. 5 –10 Euro pro Laufmeter betragen.

Pflanzenwa­hl

Der Innungsmei­ster Dr. Rainer Pawlick rät, „sein Augenmerk auf die richtige Wahl der Bepflanzun­g zu legen, um Schäden an der Fassade zu vermeiden. Durch Selbstklim­mer wie Efeu und Wilden Wein können durch deren Haftorgane Baumängel und Schäden entstehen. Sie eignensich­nurfürfuge­nlose, massive Fassaden (Beton). Lichtflieh­er, deren Triebspitz­en in Ritzen und Spalten wachsen, sind ebenfalls zu meiden. Schlingend­e Pflanzenmi­tstarkemWu­chs(Knöterich) die an Rankhilfen, besonders an Drahtseile­n em- por klettern, können infolge Überdehnun­g Bauschäden bis zumAusreiß­enderWandh­alter verursache­n.“

„Das Stadtbild gewinnt an Ästethik und Wildtiere finden ein Zuhause.“

Dipl. Ing. Jürgen Preiss MA 22, Umweltschu­tzabteilun­g

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Die Zentrale der MA 48 wurde im Jahr 2010 general saniert und bekam im Zuge dessen eine 850 Quadratmet­er große Grünfassad­e
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Begrünte Fassaden tragen unter anderem zur Staubbindu­ng und zur Luftbefeuc­htung bei
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