Kurier (Samstag)

Das Protokoll zum Zug-Chaos

Von einer kleinen Fehlermeld­ung bis zum kompletten Stillstand der Westbahn

- VON DOMINIK SCHREIBER UND WOLFGANG ATZENHOFER

Am Freitag um 4.06 Uhr in der Früh trifft in der Leitstelle in Wien-Meidling eine Routine-Fehlermeld­ung ein. Das Streckengl­eis 1 beim Linzer Hauptbahnh­of ist plötzlich stromlos. Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, dass es um diese Zeit vermutlich einen Kurzschlus­s gegeben hat. Dieser wird in der Folge zu einem der größten Zwischenfä­lle auf der Westbahn führen – und für Zehntausen­de Bahngäste Verspätung­en bis zu vier Stunden bringen.

Zwei Minuten nach der Fehlermeld­ung fährt ein Zug in den stromlosen Bereich ein und bleibt einfach stehen. Das zeigt das interne ÖBBProtoko­ll, das im Österreich­ischen Eisenbahnf­orum veröffentl­icht wurde.

Um 4.54 Uhr meldet der Linzer Fahrdienst­leiter erstmals den Brand in einem Kabelschac­ht. Wie sich später herausstel­len wird, handelt es sich um einen 12 Quadratmet­er großen unterirdis­chen Raum, in dem der Großteil der Stromverso­rgung des Bahnhofs zusammenlä­uft.

Zwei Stunden nach der ersten Fehlermeld­ung, um 6.08 Uhr, wird ein Notfahrpro­gramm eingericht­et, gegen 7.57 Uhr wird erstmals überlegt, ob man DieselLoks einsetzt, um zumindest den Fernverkeh­r durch den stromlosen Bahnhof zu bringen.

Ein Problem, das alles verschärft: Die meisten Bedienstet­en der Linzer Station fahren selbst mit dem Zug in die Arbeit. Pendler berichten deshalb von teils chaotische­n Zuständen, mangelnden Durchsagen und langen Warteschla­ngen vor den Informatio­nsschalter­n. „Ich weiß nicht, wie ich nach Wien komme“, sagt etwa Hanna Brunner achselzuck­end. Es fährt am Vormittag zwar nach einer gewissen Anlaufzeit eine hohe Zahl an Bussen, die eingesetzt werden, um einen Schienener­satzverkeh­r einzuricht­en, allerdings werden zahlreiche Beschwerde­n über die Zustände laut. Kritisiert wird auch, dass es kaum Durchsagen oder Hinweissch­ilder gibt.

Der Fernverkeh­r wird zunächst großräumig umgeleitet, danach werden die Züge teilweise mit alten Diesel-Lokomotive­n durchgesch­leppt. Manche Züge erreichen am Vormittag Verspätung­en von bis zu vier Stunden.

Kurz vor 12 Uhr kann die Linzer Berufsfeue­rwehr nach sechs Stunden den Brand löschen, mehrere Steuer- und Stromkabel mit bis zu 15 kV Spannung werden schwer beschädigt. Die Feuerwehrl­eute haben zwei Tonnen Spezial-Löschmitte­l in den Schacht gepumpt.

Nach und nach werden ab 15.20 Uhr erste Gleise wieder freigegebe­n und der Zugsverkeh­r rollt wieder an. „Nun können auch die ersten Fernzüge wieder Richtung Osten durch den Bahnhof geführt werden“, sagt ÖBBSpreche­rin Juliane Pamme.

Wann es wieder zu einem vollwertig regulären Zugverkehr kommt, kann die ÖBB auch in den späteren Nachmittag­sstunden noch nicht abschätzen. Noch ist unklar, wie schwer der unterirdis­che Raum zerstört worden ist.

 ??  ?? Lange Warteschla­ngen vor den Informatio­nsschalter­n am Freitag, weil auch die Bedienstet­en teilweise mit dem Pendler-Zug nicht in die Arbeit kamen
Lange Warteschla­ngen vor den Informatio­nsschalter­n am Freitag, weil auch die Bedienstet­en teilweise mit dem Pendler-Zug nicht in die Arbeit kamen
 ??  ?? 32 Mann der Berufsfeue­rwehr Linz bekämpften das Feuer unter den Gleisen sieben Stunden lang
32 Mann der Berufsfeue­rwehr Linz bekämpften das Feuer unter den Gleisen sieben Stunden lang
 ??  ?? Hanna Brunner: „Weiß nicht, wie ich nach Wien komme“
Hanna Brunner: „Weiß nicht, wie ich nach Wien komme“
 ??  ?? Drei Stunden Schulweg nach Linz: Tanja Zeller
Drei Stunden Schulweg nach Linz: Tanja Zeller

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