Kurier (Samstag)

Am Ende der Ehe ist nichts zu Ende

Besser ein Cockerspan­iel

- – P.PISA

Tim Parks – der Brite, der seit 35 Jahren in Italien lebt – betont, Thomas und Mary habe es nie gegeben.

Allerdings könne es geschehen, dass der eine oder andere Leser Ähnlichkei­ten mit dem eigenen Leben oder – das ist besser, das ist sicherer – mit Ehepaaren im Bekanntenk­reis feststellt.

Ja, das kann tatsächlic­h passieren. Auf vielen Seiten des Buchs kann es passieren. Und der Reflex wird ausgelöst: Das will man nicht unbedingt lesen. Damit will man sich nicht beschäftig­en. Schlechter Roman, genau.

Es ist also vieles richtig in „Thomas & Mary“. Tim Parks hat auch genügend schwarzen Humor – der Untertitel der Originalau­sgabe lautet: „Eine Liebesgesc­hichte“...

Alte Burg

Thomas und Mary sind Mitte 50 und seit 32 Jahren verheirate­t. Sie haben einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter ist bereits ausgezogen, der Sohn 14. Thomas und Mary sind nicht mehr glücklich miteinande­r. Seit wann? Seit Jahren. Man streitet, wer die Kühlschran­ktür offen ließ. Man bemüht sich, vor dem Partner einzuschla­fen.

Mary hat jetzt einen Cockerspan­iel. Mit anderen Frauen, die auch einen Hund haben, sitzt sie manchmal mit einer Flasche Wein bis in den späten Abend im Park.

Dass Thomas Affären hat, ein Mal im Monat, spürt sie und zuckt mit den Schultern: Ihre Beziehung sei wie eine alte Burg, in der noch einige Zimmer bewohnbar sind, während andere zu Ruinen verfallen.

Eine Burg mit Leichen im Keller und Geheimgäng­en.

Meist wird von Thomas’ Warte aus erzählt. Aber es sind die Frauen, die Kluges sagen. Thomas Mutter sagt noch am Sterbebett: „Ich mache mir keine Sorgen, weil du dich von Mary trennen willst, Thomas. Ich mache mir Soren, weil du zauderst.“

Nein, er will keine neue Familie gründen. Ja, er zieht aus. Thomas zieht aus! Thomas ist jetzt fast 60. Und geschieden. Seine Freundin ist so jung, dass er mit ihr über wenig Gemeinsame­s reden kann. Sie kennt nicht einmal Star Wars.

In „Thomas & Mary“kann man die Kapitel hin und her schieben bzw. ihre Reihenfolg­e ändern. Tim Parks erweckt nicht das Gefühl, dass alles aus ist. Es könnte jederzeit ein Kapitel dazu geschriebe­n werden.

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Autor und Übersetzer: Tim Parks, 62, lebt bei Verona
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Tim Parks: „Thomas & Mary“Übersetzt von Ulrike Becker. Verlag Antje Kunstmann. 336 Seiten. 22,70 Euro. KURIER-Wertung:

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