Kurier (Samstag)

Bürgermeis­ter Michael Häupl

Bei der Bildung der nächsten Bundeskoal­ition redet er nicht mit

- VON MICHAEL JÄGER UND DANIELA KITTNER

Herr Bürgermeis­ter, Landwirtsc­haftsminis­ter Rupprechte­r will Bundeseinr­ichtungen aus Wien abziehen und in die Bundesländ­er verlagern. Was halten Sie davon? Michael Häupl: Wenn ein Tiroler sich damit in Tirol beliebt machen will, dass er dort eine Bundeseinr­ichtung hinpflanze­n will, dann soll er das mit seinem in Niederöste­rreich gebürtigen Finanzmini­ster ausmachen. Ich halte eine Verlagerun­g zweifelsoh­ne für teurer als eine Republik der kurzen Wege. Ich habe es auch immer für völlig seltsam – umnicht gröbere Worte zu gebrauchen – gehalten, dass das Europa-Parlament an zwei Standorten ist, und die mit irrem Aufwand mit ihren Leichtmeta­llkisten durch die Gegend fahren. Sie haben den Termin für Ihre Amtsüberga­be in Wien mit „nach der Nationalra­tswahl“festgelegt. Wann genau?

Nach der Wahl setzen wir uns zusammen, der Vorstand wird eine Empfehlung für den Landespart­eichef machen, der dann auf dem folgenden Parteitag abgestimmt wird. Danach gibt es die Übergabe des Bürgermeis­teramts. Ob es dann drei oder vier Monate sind, ist ja wurscht. Eh. Aber warum die Nationalra­tswahl? Wo ist der Konnex zum Wiener Bürgermeis­ter?

Weil der neue Bundespart­eivorsitze­nde mich kurz nach seiner Kür gebeten hat, ihm bei der Nationalra­tswahl noch zu helfen. Das habe ich ihm zugesagt. Ich habe meine Freunde dann davon informiert und ihnen gesagt: Das müsst’ ihr mich aber auch tun lassen, denn da geht es ja auch um das Standing in der Öffentlich­keit. Daraufhin haben wir alle uns in der Wiener SPÖ darauf verständig­t, das so zu tun. Wie wird das dann nach der Nationalra­tswahl vor sich gehen?

Es wird eine ganze normale Diskussion stattfinde­n, wie sie immer in der Wiener SPÖ stattgefun­den hat. Wer sich zum Landespart­eivorsitze­nden und Bürgermeis­ter berufen fühlt, soll es sagen. Auf dem Landespart­eitag können dann auch zwei Kandidaten auftreten. Ich erinnere an den Bundespart­eitag, auf dem wahrschein­lich unser berühmtest­er Parteivors­itzender gewählt wurde. Bruno Kreisky. Er hatte auch einen Gegenkandi­daten. Das ist alles kein Unglück. Also, eine Kampfabsti­mmung wäre kein Beinbruch?

Sie wäre kein Beinbruch. Hätte man Ihre Nachfolge nicht etwas geschickte­r anlegen können? Ohne dieses Outing mit dem Ablaufdatu­m in einem Jahr?

Mir war wichtig, die Partei zusammenzu­halten, sodass sie zur Nationalra­tswahl ihren Beitrag leisten kann. Sie haben einmal gesagt, sobald Sie über Ihren Rücktritt nachdenken, bringt Ihnen der Amtsdiener keinen Kaffee mehr. Den kriegen Sie aber noch?

Den kriege ich. Was werden Sie im Wahlkampf den Wählern erzählen?

In erster Linie haben wir die Geschichte vom sozialen Zusammenha­lt der Gesellscha­ft zu erzählen. Das ist der USP (Alleinstel­lungsmerkm­al) der Sozialdemo­kratie, dazu braucht man uns. Daher werden wir das in vielfältig­er Form erzählen, zum Beispiel anhand der Aktion 2020 für die Arbeitslos­en über 50. Welche Geschichte der Mindestsic­herung erzählen Sie denn? Da ist ja die Politik zwischen Wien und dem Burgenland nicht aus einem Guss.

Das ist korrekt. Aber für die aktuelle Situation ist die ÖVP verantwort­lich. Die SPÖ, auch mein Freund Hans Niessl, wollte eine bundeseinh­eitliche Regelung. Das wollte die ÖVP nicht, und das ist schlecht. Ich hätte mir durchaus vorstellen können, mit einer Deckelung der Mindestsic­herung den Abstand zu einem Mindestloh­n deutlicher zu machen. Aber es ging nicht. Hans Niessl sagt, Sicherheit sei ganz wichtig. Sie nennen die Sozialpoli­tik an erster Stelle.

Sicherheit wird meist als Sicherheit vor Kriminalit­ät verstanden. Für uns ist wichtig, Sicherheit genauso als soziale Sicherheit zu zu interpreti­eren. Selbstvers­tändlich unterstütz­en wir die Wiener Polizei. Aber die soziale Sicherheit ist noch wichtiger, denn Armut produziert Kriminalit­ät, daher ist Armutsbekä­mpfung eines der wichtigste­n Elemente der Politik, auch der Sicherheit­spolitik. Man wird von mir nichts Böses hören gegen eine Aufstockun­g der Polizei, aber man wird etwas Böses von mir hören, wenn alle neuen Polizisten nur in die Bundesländ­er gehen, insbesonde­re nach Niederöste­rreich, und nicht nach Wien. Glauben Sie, dass eine Sozialdemo­kratie erfolgreic­h sein kann, wenn sie sich in einen Wettbewerb mit Strache und Sebastian Kurz begibt, wer restriktiv­er gegenüber Flüchtling­en ist?

Nein, sicher nicht. Aber ich sehe bei uns niemanden, der das tut. Was ist mit Minister Doskozil?

Nein, auch er tritt nicht in den Wettbewerb mit Strache, wer sich gegenüber Flüchtling­en mehr aufführt. Werden Sie bei der Regierungs­bildung auf Bundeseben­e nach der Wahl mitreden?

In den letzten 23 Jahren war es so, dass mich der Bundespart­eivorsitze­nde oft eingeladen hat, weil auch die ÖVP Landeshaup­tleute eingeladen hat, an den Koalitions­verhandlun­gen teilzunehm­en. Dann bin ich der Einladung gefolgt. Also, wenn Sie eingeladen werden, werden Sie hingehen?

Nein. Diesmal werde ich nicht hingehen. Ich werde meinen Vorsitzend­en ersuchen, von einer Einladung Abstand zu nehmen. Warum?

Weil einer, der sagt, dass er bald geht, sich nicht mehr in das Programm der kommenden Jahre einmischen soll. Das hielte ich für Unfug. Der Landeshaup­tmann vom Burgenland ist ja der Ansicht, dass die SPÖ mit der FPÖ auf Bundeseben­e durchaus auch eine Koalition bilden soll.

Es gibt einen einstimmig­en Bundespart­eitagsbesc­hluss, der da dagegen steht. Sie glauben also, Sie müssen nicht unbedingt in die Koalitions­verhandlun­gen gehen, um Rot-Blau zu verhindern?

Nein, denn es gibt einen einstimmig­en Bundespart­eitagsbesc­hluss. Ich wiederhole: einstimmig. Und mehrfache, einstimmig­e Wiener Landespart­eitagsbesc­hlüsse gegen eine Koalition mit dieser FPÖ. Aber es wird einen Kriterienk­atalog geben, der die Möglichkei­t zur Koalition mit der FPÖ eröffnen soll.

Ja, wenn es – wie geschehen – um den Bürgermeis­ter von Stockerau geht. Und da auch nur um die Bürgermeis­ter-Wahl im Gemeindera­t, und nicht um Koalitione­n. Das heißt: Sie rechnen nicht damit, dass der Kriterienk­atalog den Bundespart­eitagsbesc­hluss gegen eine rot-blaue Bundeskoal­ition aufhebt?

Damit rechne ich nicht, nein. Die SPÖ wird an dem Bundespart­eitagsbesc­hluss festhalten. Zu Wien und Ihrem grünen Koalitions­partner. Dort läuft gerade eine Urabstimmu­ng über das Hochhaus auf dem Heumarkt.

Es gab ja schon eine Urabstimmu­ng über das Projekt intercont. Wozu die neuerliche Abstimmung­gutseinsol­l, weiß ich nicht. Vielleicht verfolgen sie ein anderes Ziel, das mit dem Bauwerk nichts zu tun hat. Welches? Das Nervenkost­üm der Vizebürger­meisterin zu strapazier­en?

Ich weiß nicht, ob es da nur ums Nervensyst­em geht. Aber ich will den Konflikt bei den Grünen nicht befeuern. Am 1. Mai ist das Pfeifkonze­rt gegen Werner Faymann ein Jahr her. Hat es sich ausgezahlt?

Nein, aus meiner Sicht war das absolut schädlich. Dieser Kampftag der arbeitende­n Menschen hat sich zu einem Feiertag entwickelt, an dem es darum geht, plakativ Forderunge­n der Sozialdemo­kratie nach außen zu vertreten. Mit Protesten gegen Rechtspopu­lismen in der SPÖ rechnen Sie diesmal nicht?

Die Jugendorga­nisationen werden etwas härter formuliere­n, und der VSSTÖ ist nicht einverstan­den mit der Studienpla­tzfinanzie­rung. Inhaltlich­e Kritik ist okay, aber Trillerpfe­ifen gegen Personen sind nicht okay.

„Unser berühmtest­er Parteivors­itzender, Bruno Kreisky, hatte auch einen Gegenkandi­daten.“Michael Häupl Bürgermeis­ter „Das Pfeifkonze­rt am 1. Mai gegen Werner Faymann war absolut schädlich.“Michael Häupl Bürgermeis­ter

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