Citroën-Chefin Linda Jackson
Die Managerin bezweifelt, dass Apple und Google Autos bauen
Linda Jackson hat der französischen Traditionsmarke Citroën einen frischen Anstrich verpasst. Im Interview spricht die Britin über die künftige Rolle des Autos, welchen Einfluss das Silicon Valley hat und warum es keine gute Idee ist, Fahrzeuge für ein bestimmtes Geschlecht zu konzipieren. KURIER: Seit Jahren wird über ein Apple-Auto spekuliert, Google punktet mit autonomen Fahrzeugen. Wachsen im Silicon Valley neue Konkurrenten heran? Linda Jackson: Ich bin mir nicht sicher, ob Apple oder Google überhaupt das Verlangen haben, ein Auto zu bauen. Dass sie die notwendigen Mobilitäts-Services anbieten können, steht außer Frage. Aber ein Auto tatsächlich herzustellen ist ein komplexes Unterfangen. Bis auf Gerüchte hat sich diesbezüglich seit Jahren kaum etwas getan. Wie beurteilen Sie Tesla? Ungeachtet der moderaten Verkaufszahlen ist Elon Musk mit seiner Firma medial omnipräsent.
Was Tesla, aber auch Google und Apple eindrucksvoll geschafft haben, ist, die etablierten Hersteller bei den Themen selbstfahrende Autos und Elektro-Mobilität wachzurütteln. Jeder sprintet in diese Richtung und will, ja muss der Erste im Ziel sein. Manchmal wird bei diesem Rennen allerdings außer Acht gelassen, was die Kunden eigentlich wollen. Das heißt, Elektro und autonomes Fahren sind überhypt?
Natürlich gibt es eine Nachfrage – nicht nur von Käufern, sondern auch von Stadtverwaltungen, die völlig neue Mobilitätskonzepte mit elektrischen Fahrzeugen, in einigen Jahren vielleicht sogar fahrerlos, ins Auge fassen. Auch energiepolitische Überlegungen und CO2Vorgaben spielen eine Rolle. Viele Fragen sind aber unbeantwortet: Wie sieht die In- frastruktur für E-Autos aus? Wird das Konzept außerhalb von Städten angenommen, wo die Reichweite von Fahrzeugen immer noch eine Rolle spielt? Sind wir bereit, in einigen Jahren die Hände vom Lenkrad zu nehmen und blind auf das Auto zu vertrauen? Ich bezweifle das. Das klingt nicht unbedingt, als ob die beiden Themen oberste Priorität für Citroën hätten.
Natürlich haben sie Priorität. Wie alle anderen Hersteller können wir es uns einfach nicht leisten, bei dem Rennen nicht mitzumachen, auch wenn keiner weiß, ob der Anteil an Elektrofahrzeugen in zwanzig Jahren 30 oder 50 Prozent betragen wird. Unser C4 Picasso mit autonomen Fahreigenschaften hat schon 120.000 Kilometer hinter sich gebracht. Bis 2019 werden wir unsere Elektro-Strategie finalisieren. Aber leider gibt es auch andere Prioritäten: etwa, meine neuen SUVs auf die Straße zu bringen. Junge Leute haben heute völlig andere Erwartungen an ein Auto als noch vor 20 Jahren. Wie gehen Sie damit um?
Gerade in der Stadt haben junge Menschen nicht mehr das unbedingte Bedürfnis, ein Auto besitzen zu müssen. Sie wollen aber Zugang zu Autos und diese benützen können, wenn sie wollen. Deshalb sind wir bei Car-Sharing-Initiativen in Madrid, Berlin und Bordeaux mit an Bord. In Frankreich kann man über Citroën-Händler ein Auto für ein paar Stunden oder auch einen Monat mieten. Künftig wird man sein Auto vermieten und damit einen Teil seiner Anschaffungskosten zahlen können. Wie soll das funktionieren? Wenn man das Auto nicht braucht, etwa weil man drei Wochen auf Urlaub f liegt, kann es an andere gegen eine Gebühr weitergegeben werden. Es steht also nicht sinnlos herum oder verursacht sogar Kosten, weil man den Flughafenparkplatz zah- len muss, sondern bringt für die Zeit sogar etwas ein. Nach der Vermietung wird es gereinigt und technisch überprüft zurückgegeben. 50 Prozent Ihrer Kundschaft sind weiblich. Suchen sich Frau- en ihr Auto eigentlich anders als Männer aus?
Ein Auto für Frauen zu bauen bringt nichts und ist ebenso wenig zielführend wie ein reines „Männer-Auto“. Unsere Studien zeigen zwar, dass für viele Männer bei der Kaufentscheidung immer noch das Fahrverhalten, der Motor und das Getriebe an erster Stelle stehen. Aber auch Frauen wollen, dass ihr Auto gut fährt. Sie haben manchmal vielleicht einen praktischeren Zugang. Ist das Auto sicher? Gibt es genug Platz? Passt es für Arbeit und Freizeit? Es geht folglich nicht um ein Auto für Frauen, sondern um eines, das vielseitig und wandlungsfähig ist. Ausgefallene Modelle wie die legendäre Ente, ein VW Käfer oder auch der Original-Twingo sind mittlerweile Mangelware. Sind Käufer so langweilig geworden, oder ist das eine Bringschuld der Hersteller?
Es stimmt, dass die Industrie zuletzt sehr konform unterwegs war. Der Erfolg des neuen C3 zeigt aber, dass viele ein personalisierbares Auto wollen, mit dem sie sich von der Masse abheben. Wenn wir wie beim C3 diverse Gestaltungsmöglichkeiten anbieten, ist das aber auch für uns ein Gewinn. Man kann dann mit einem Pkw-Modell mehrere Käufergruppen gleichzeitig ansprechen. So gibt es etwa gediegene Farben für die konservativeren Kunden und frechere Farben innen und außen für die Individualisten.