Master of Desaster
100 TAGE DONALD TRUMP
Fehlschläge und Kehrtwenden prägen die bisherige Bilanz des neuen US-Präsidenten. Sein „Vertrag“mit dem amerikanischen Volk ist unerfüllt.
Einen Rekord hat Donald Trump vermutlich schon erreicht: Der Milliardär mit Hang zu Superlativen gilt als unpopulärster Präsident aller Zeiten. Seinen bisherigen politischen Leistungen können nur 40 Prozent der Amerikaner Gutes abgewinnen. So schlecht war noch kein Bewohner des Weißen Hauses kurz nach dem Start bei seinen Mitbürgern angeschrieben.
Vorerst also sieht die Bilanz mager aus. Trump hat bisher fast 30 präsidiale Dekrete (Sonderverordnungen) unterzeichnet. Dabei handelt es sich oft um Prüfaufträge mit ungewissem Ausgang. Bisher brachte er kein einziges durchfinanziertes, gesetzgeberisches Großvorhaben zustande, mit dem er gemeinsam mit dem republikanisch beherrschten Kongress Regierungsfähigkeit aus einem Guss unter Beweis gestellt hätte.
Weder ist von dem eine Billion ( M ) Dollar schweren Modernisierungsprogramm für Straßen, Flughäfen und Brücken etwas Belastbares (und im Kongress Mehrheitsfähiges) zu sehen noch von der versprochenen Steuerentlastung. Die gerade eilig vorgelegten Eckdaten für eine Reform – Reduzierung der Unternehmenssteuern von 35 auf 15 Prozent sowie Hilfen für kleine und mittlere Einkommen – werden von unabhängigen Finanz-Experten angezweifelt. „Das basiert auf Wunschdenken, da fehlt die Gegenfinanzierung, das kommt so nie durch den Kongress.“Die unverzügliche „Rücknahme und Erset-
zung“der Krankenversicherung von Obama („Obamacare“) ist bisher an parteiinternen Zwistigkeiten der Republikaner gescheitert. Wann die von Trump fest versprochene Alternative, die günstigere Beiträge bei besserer Versorgung bieten soll, kommt, steht in den Sternen. Experten befürchten, dass in der Zwischenzeit bis zu 20 Millionen Amerikaner ihren Schutz im Krankheitsfall verlieren könnten. Zur Terror-Prävention hat Trump Bürger aus ausgewählten muslimisch dominierten Ländern mit Einreiseverboten belegt. Die Initiative ist von mehreren Gerichten als verfassungswidrig gestoppt worden. Auch die von Washington angedrohte Kürzung von millionenschweren Zuschüssen für Städte wie New York, Los Angeles oder San Francisco, die nicht straffällig gewordenen Migranten ohne Aufenthaltspapiere Zuflucht bieten („sanctuary cities“), ist gesetzwidrig.
(Noch) keine Mauer
Auf Eis liegt der angekündigte Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um Drogen-Kuriere und illegale Einwanderer abzuhalten. Mexiko will nicht, wie von Trump beteuert, für das Projekt bezahlen. Der Kongress in Washington hat bisher nur symbolische Beträge für das auf über 70 Milliarden Dollar geschätzte Bauwerk freigegeben. Beim Spitzenpersonal musste Trump schon nach wenigen Tagen den Nationalen Sicherheitsberater austauschen. Ex-General Mi- chael Flynn wurde in der heiklen Angelegenheit möglicherweise unstatthafter Russland-Kontakte der Lüge überführt. In seinem engsten Umfeld ist der ideologische Streit von Trumps wichtigsten Beratern – Stephen Bannon und Schwiegersohn Jared Kushner – ungelöst. Ein reibungsloser Regierungsübergang sieht jedenfalls anders aus. Tatsache ist, dass auch über 90 Prozent der Spitzenjobs in den Ministerien und Behörden bisher nicht besetzt sind.
Durchgesetzt
Ein Erfolg dagegen ist die Ernennung von Neil Gorsuch, der gegen den Widerstand der Demokraten durchgesetzt wurde. So wird auf Jahrzehnte ein erzkonservativer Jurist am Obersten Gerichtshof Recht sprechen. In der religiösfundamentalen Wählerschaft hat Trump ein zentrales Wahlkampfversprechen erfüllt.
Zudem hat er Amerika aus dem Freihandelsabkommen TPP mit Asien herausgelöst, zwei umstrittene Öl-Pipeline-Projekte freigegeben und diverse regulatorische Auflagen für die Industrie aus der Zeit seines Vorgängers aufgehoben. Allein die massive Verschärfung der Rhetorik in der Einwanderungsdebatte hat die Zahl der illegalen Übertritte an der Grenze zu Mexiko um über 50 Prozent sinken lassen.
Außenpolitisch vollzog Trump mehrere Kehrtwenden: Er hielt die NATO für „obsolet“, die EU nach dem „Brexit“Großbritanniens für ein Wackelbündnis, Russlands Präsidenten Wladimir Putin für einen star- ken Partner, China für einen Währungsbetrüger – und Amerika als Weltpolizist für ein Auslaufmodell. Nichts davon hat die ersten drei Monate überstanden. Die NATO ist heute für Trump ein „Bollwerk für den Frieden“, die EU ein wichtiger, intakter Partner, Putin eine feindselige Kraft, die den Westen destabilisieren will, China – nach dem Besuch von Präsident Xi Jinping – kein Währungsbetrüger und die USA der Garant für Frieden und Freiheit auf dem Globus. Mit 59 Raketen auf einen syrischen Flugplatz – Reaktion auf einen Diktator Assad zugeschriebenen Giftgas-Angriff auf Zivilisten – gab Trump die zugesagte militärische Zurückhaltung Amerikas auf. Wie Trump mit China und Russland, geopolitisch nach wie vor die größten Rivalen, auf Dauer verfahren will, bleibt weiter mysteriös.
Weitere Baustellen
Trump versprach eine neue Strategie im Kampf gegen das Terror-Netzwerk „Islamischer Staat“– bis heute Fehlanzeige. Das umstrittene Atomabkommen mit dem Iran wollte Trump zügig aufkündigen – davon ist keine Rede mehr.
Die von Obama praktizierte „strategische Geduld“mit der aufstrebenden AtomMacht Nordkorea sollte durch eine klare Grenzziehung und Eindämmung der Gefahr ersetzt werden. Zuletzt strebte Trump eine nicht-militärischen Beilegung des Konflikts an. Dennoch lässt er ein Raketenabwehrsystems in Südkorea bauen, über dessen Kosten er nun mit Seoul streitet.
Apropos Asien. Nach der Abkehr von den Freihandelsabkommen TPP (P B S , V , C ) und TTIP ( E ) steht weiter aus, wie die USA mit anderen Ländern ihre Wirtschaftsbeziehungen gestalten wollen. Bis zum Sommer sollen die Ministerien für Wirtschaft und Finanzen Vorschläge für Einzel-Abkommen ausarbeiten. Ob darin flächendeckend Handelsbarrieren auftauchen, ist ungewiss. Bei Stahl und – aktuell – kanadischem Weichholz will Trump ausländische Hersteller mit Strafzöllen belegen. Die erwogene „Grenzausgleichssteuer“, die vor allem exportstarke Nationen wie Deutschland massiv beeinträchtigt hätte, ist dagegen vom Tisch.
Trump nimmt für sich in Anspruch, etliche Großunternehmen, wie Autohersteller, von der Abwanderung ins Ausland abgehalten zu haben. Dadurch seien in den USA 600.000 Jobs entstanden bzw. gesichert worden. Die Zahl wird von unabhängigen Instituten als „aus der Luft gegriffen“bezeichnet. Viele Investitionen seien bereits lange vor der Wahl Trumps beschlossen gewesen. Gleichwohl profitiert Trump vom Staffelstab, den ihm Obama übergeben hat ( A , E - , K ) . Die ökonomische Zuversicht der Amerikaner ist laut Umfragen so groß wie seit 15 Jahren nicht.
Einen seiner größten Fehler beging Trump noch während des Wahlkampfes. Damals hatte er versprochen, zu gegebener Zeit seine Steuererklärung zu veröffentlichen ( I ) . Heute verweigert er den Blick in seine Besitzverhältnisse und Geschäftsbeziehungen. Kritiker fühlen sich bestätigt, dass ausländische Regierungen, wie Moskau, Belastendes gegen Trump in der Hand haben könnten. Aber auch für diese Steuererklärung hat Trump zumindest noch 1450 Tage Zeit – von seiner ersten Amtszeit sind ja erst 100 Tage verstrichen.