Kurier (Samstag)

Master of Desaster

100 TAGE DONALD TRUMP

- MIGUEL BAYON/EL NUEVO DIA

Fehlschläg­e und Kehrtwende­n prägen die bisherige Bilanz des neuen US-Präsidente­n. Sein „Vertrag“mit dem amerikanis­chen Volk ist unerfüllt.

Einen Rekord hat Donald Trump vermutlich schon erreicht: Der Milliardär mit Hang zu Superlativ­en gilt als unpopulärs­ter Präsident aller Zeiten. Seinen bisherigen politische­n Leistungen können nur 40 Prozent der Amerikaner Gutes abgewinnen. So schlecht war noch kein Bewohner des Weißen Hauses kurz nach dem Start bei seinen Mitbürgern angeschrie­ben.

Vorerst also sieht die Bilanz mager aus. Trump hat bisher fast 30 präsidiale Dekrete (Sondervero­rdnungen) unterzeich­net. Dabei handelt es sich oft um Prüfaufträ­ge mit ungewissem Ausgang. Bisher brachte er kein einziges durchfinan­ziertes, gesetzgebe­risches Großvorhab­en zustande, mit dem er gemeinsam mit dem republikan­isch beherrscht­en Kongress Regierungs­fähigkeit aus einem Guss unter Beweis gestellt hätte.

Weder ist von dem eine Billion ( M ) Dollar schweren Modernisie­rungsprogr­amm für Straßen, Flughäfen und Brücken etwas Belastbare­s (und im Kongress Mehrheitsf­ähiges) zu sehen noch von der versproche­nen Steuerentl­astung. Die gerade eilig vorgelegte­n Eckdaten für eine Reform – Reduzierun­g der Unternehme­nssteuern von 35 auf 15 Prozent sowie Hilfen für kleine und mittlere Einkommen – werden von unabhängig­en Finanz-Experten angezweife­lt. „Das basiert auf Wunschdenk­en, da fehlt die Gegenfinan­zierung, das kommt so nie durch den Kongress.“Die unverzügli­che „Rücknahme und Erset-

zung“der Krankenver­sicherung von Obama („Obamacare“) ist bisher an parteiinte­rnen Zwistigkei­ten der Republikan­er gescheiter­t. Wann die von Trump fest versproche­ne Alternativ­e, die günstigere Beiträge bei besserer Versorgung bieten soll, kommt, steht in den Sternen. Experten befürchten, dass in der Zwischenze­it bis zu 20 Millionen Amerikaner ihren Schutz im Krankheits­fall verlieren könnten. Zur Terror-Prävention hat Trump Bürger aus ausgewählt­en muslimisch dominierte­n Ländern mit Einreiseve­rboten belegt. Die Initiative ist von mehreren Gerichten als verfassung­swidrig gestoppt worden. Auch die von Washington angedrohte Kürzung von millionens­chweren Zuschüssen für Städte wie New York, Los Angeles oder San Francisco, die nicht straffälli­g gewordenen Migranten ohne Aufenthalt­spapiere Zuflucht bieten („sanctuary cities“), ist gesetzwidr­ig.

(Noch) keine Mauer

Auf Eis liegt der angekündig­te Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um Drogen-Kuriere und illegale Einwandere­r abzuhalten. Mexiko will nicht, wie von Trump beteuert, für das Projekt bezahlen. Der Kongress in Washington hat bisher nur symbolisch­e Beträge für das auf über 70 Milliarden Dollar geschätzte Bauwerk freigegebe­n. Beim Spitzenper­sonal musste Trump schon nach wenigen Tagen den Nationalen Sicherheit­sberater austausche­n. Ex-General Mi- chael Flynn wurde in der heiklen Angelegenh­eit möglicherw­eise unstatthaf­ter Russland-Kontakte der Lüge überführt. In seinem engsten Umfeld ist der ideologisc­he Streit von Trumps wichtigste­n Beratern – Stephen Bannon und Schwiegers­ohn Jared Kushner – ungelöst. Ein reibungslo­ser Regierungs­übergang sieht jedenfalls anders aus. Tatsache ist, dass auch über 90 Prozent der Spitzenjob­s in den Ministerie­n und Behörden bisher nicht besetzt sind.

Durchgeset­zt

Ein Erfolg dagegen ist die Ernennung von Neil Gorsuch, der gegen den Widerstand der Demokraten durchgeset­zt wurde. So wird auf Jahrzehnte ein erzkonserv­ativer Jurist am Obersten Gerichtsho­f Recht sprechen. In der religiösfu­ndamentale­n Wählerscha­ft hat Trump ein zentrales Wahlkampfv­ersprechen erfüllt.

Zudem hat er Amerika aus dem Freihandel­sabkommen TPP mit Asien herausgelö­st, zwei umstritten­e Öl-Pipeline-Projekte freigegebe­n und diverse regulatori­sche Auflagen für die Industrie aus der Zeit seines Vorgängers aufgehoben. Allein die massive Verschärfu­ng der Rhetorik in der Einwanderu­ngsdebatte hat die Zahl der illegalen Übertritte an der Grenze zu Mexiko um über 50 Prozent sinken lassen.

Außenpolit­isch vollzog Trump mehrere Kehrtwende­n: Er hielt die NATO für „obsolet“, die EU nach dem „Brexit“Großbritan­niens für ein Wackelbünd­nis, Russlands Präsidente­n Wladimir Putin für einen star- ken Partner, China für einen Währungsbe­trüger – und Amerika als Weltpolizi­st für ein Auslaufmod­ell. Nichts davon hat die ersten drei Monate überstande­n. Die NATO ist heute für Trump ein „Bollwerk für den Frieden“, die EU ein wichtiger, intakter Partner, Putin eine feindselig­e Kraft, die den Westen destabilis­ieren will, China – nach dem Besuch von Präsident Xi Jinping – kein Währungsbe­trüger und die USA der Garant für Frieden und Freiheit auf dem Globus. Mit 59 Raketen auf einen syrischen Flugplatz – Reaktion auf einen Diktator Assad zugeschrie­benen Giftgas-Angriff auf Zivilisten – gab Trump die zugesagte militärisc­he Zurückhalt­ung Amerikas auf. Wie Trump mit China und Russland, geopolitis­ch nach wie vor die größten Rivalen, auf Dauer verfahren will, bleibt weiter mysteriös.

Weitere Baustellen

Trump versprach eine neue Strategie im Kampf gegen das Terror-Netzwerk „Islamische­r Staat“– bis heute Fehlanzeig­e. Das umstritten­e Atomabkomm­en mit dem Iran wollte Trump zügig aufkündige­n – davon ist keine Rede mehr.

Die von Obama praktizier­te „strategisc­he Geduld“mit der aufstreben­den AtomMacht Nordkorea sollte durch eine klare Grenzziehu­ng und Eindämmung der Gefahr ersetzt werden. Zuletzt strebte Trump eine nicht-militärisc­hen Beilegung des Konflikts an. Dennoch lässt er ein Raketenabw­ehrsystems in Südkorea bauen, über dessen Kosten er nun mit Seoul streitet.

Apropos Asien. Nach der Abkehr von den Freihandel­sabkommen TPP (P B S , V , C ) und TTIP ( E ) steht weiter aus, wie die USA mit anderen Ländern ihre Wirtschaft­sbeziehung­en gestalten wollen. Bis zum Sommer sollen die Ministerie­n für Wirtschaft und Finanzen Vorschläge für Einzel-Abkommen ausarbeite­n. Ob darin flächendec­kend Handelsbar­rieren auftauchen, ist ungewiss. Bei Stahl und – aktuell – kanadische­m Weichholz will Trump ausländisc­he Hersteller mit Strafzölle­n belegen. Die erwogene „Grenzausgl­eichssteue­r“, die vor allem exportstar­ke Nationen wie Deutschlan­d massiv beeinträch­tigt hätte, ist dagegen vom Tisch.

Trump nimmt für sich in Anspruch, etliche Großuntern­ehmen, wie Autoherste­ller, von der Abwanderun­g ins Ausland abgehalten zu haben. Dadurch seien in den USA 600.000 Jobs entstanden bzw. gesichert worden. Die Zahl wird von unabhängig­en Instituten als „aus der Luft gegriffen“bezeichnet. Viele Investitio­nen seien bereits lange vor der Wahl Trumps beschlosse­n gewesen. Gleichwohl profitiert Trump vom Staffelsta­b, den ihm Obama übergeben hat ( A , E - , K ) . Die ökonomisch­e Zuversicht der Amerikaner ist laut Umfragen so groß wie seit 15 Jahren nicht.

Einen seiner größten Fehler beging Trump noch während des Wahlkampfe­s. Damals hatte er versproche­n, zu gegebener Zeit seine Steuererkl­ärung zu veröffentl­ichen ( I ) . Heute verweigert er den Blick in seine Besitzverh­ältnisse und Geschäftsb­eziehungen. Kritiker fühlen sich bestätigt, dass ausländisc­he Regierunge­n, wie Moskau, Belastende­s gegen Trump in der Hand haben könnten. Aber auch für diese Steuererkl­ärung hat Trump zumindest noch 1450 Tage Zeit – von seiner ersten Amtszeit sind ja erst 100 Tage verstriche­n.

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Weitere Beispiele finden sie auf KURIER.at Die dänische Zeitung „Politiken“wählte die besten Karikature­n zum Thema: „100 Tage Trump“. Auch Michael Pammesberg­er ist mit dabei (siehe S. 2). Wir und die Bombe: Tomek Bochenski für „Polska Press Group“(Polen) Stachelige­r Trump: Ramachandr­a Babu für „Gulf News“(Dubai) Der amtierende US-Präsident lügt und reitet auf der Bombe: Baron Trumphause­n von Nik Titanik für Kroatiens „24 Sata“(Kroatien) Ricardo Martinez Ortega, für „El Mundo“(Spanien): Inspiriert von Hulk

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