Schulreform vor dem Zerbröseln
Am Sonntag endet die Begutachtung der Bildungsreform – mit weit über 1000 kritischen Einwänden von Betroffenen. Auch aus der Koalition mehrt sich die Kritik – nicht nur aus der ÖVP, sondern auch aus der Wiener SPÖ.
Das Konzept der Bildungsministerin gerät selbst in der eigenen Partei unter Druck.
Es könnte eng werden für die Bildungsreform von Bildungsminister in SonjaHa mm erschmid. Sie will noch vordem Sommer die Monsterreform durch das Parlament bringen. Dass es viel Widerstand geben wird, damit musste sie rechnen – doch nur ganz selten wird dieser schon bei der Begutachtung eines Gesetzesentwurfs laut. 1084 kritische bis ablehnende Stellungnahmen waren bis Freitagabend im Parlament.
Acht Seiten umfasst alleine die Stellungnahme aus dem roten Wiener Stadtschulrat. Darin zeigt sich deutlich, wie wenig die Landes-SPÖ in der Bundeshauptstadt von der unter SPÖ-Federführung ausgearbeiteten Bildungsreform hält. Beispiel: Abschaffung der Schulversuche. Dass viele künftig nicht mehr extra genehmigt werden müssen, sei zweifellos eine gute Sache. Allerdings: Einige Versuche sind laut Entwurf nur mehr „in der Dauer der Schulform plus zwei Jahre möglich“. In der Volksschule wären das also sechs Jahre.Un erwartet viel Kritik kommt von SPÖStadtschul rats präsident Heinrich H immer, der erst im Jänner das Amt von Jürgen Czernohorszky, dem jetzigen SPÖ-Bildungslandesrat, übernommen hat: „Schulversuche auf eine relativ kurze Zeit zu beschränken, halte ich für wenig sinnvoll. Es braucht länger, um festzustellen, wie und ob eine pädagogische Maßnahme wirkt.“
Nichts für große Städte wie Wien
Himmer befürchtet, dass viele Maßnahmen für den Ballungsraum ungeeignet seien, etwa die Clusterbildung ( Zusammenfassung von mehreren Standorten unter einen Direktor). „Dies sollte freiwillig geschehen. Von oben bestimmt sollte das nur dort gemacht werden, wo es sinkende Schülerzahlen gibt.“Gewünscht hätte er sich hingegen, dass Cluster zwischen Bundesund Landesschulen möglich wären – „so könnte man die Nahtstellen z. B. zwischen Volksschule und AHS entschärfen. Hier wären Modellregionen eine Lösung – hier geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug.“
Nicht glücklich ist man in Wien damit, dass es zwar einen Sozialindex geben soll, der Schulen mit einer herausfordernden Klientel mehr Geld und Personal zuweist: „Doch diese Ressourcen sollen innerhalb Wiens umgeschichtet werden. Das reicht nicht aus.“
In der ÖVP ärgert sich Parteichef Reinhold Mitterlehner, weil ihm zur Reform eine „breite Diskussion“fehle. „Es darf uns nicht passieren, das man die Vorteile für das Kind nicht mehr sieht.“
Noch deutlichere Kritik kommt von ÖAAB-Chef August Wöginger: „Es gibt bereits jetzt über tausend eindeutige Stellungnahmen von Eltern, Schülern und Lehrer.“Wöginger sieht die Ministerin gefordert: „Ich erwarte mir schon, dass es noch zu wesentlichen Abänderungen kommt.“Konkret erwähnt der schwarze Arbeitnehmervertreter zwei Problempunkte: Die Klassenschülerhöchstzahl und Schulcluster, also Schulverbände.
„Wie das genau mit der Freigabe der Klassenschülerhöchstzahl von derzeit 25 Schülern gehen soll, ist im Entwurf nicht klar geregelt. Unverständlich ist auch, dass die Schulen autonom werden sollen, um eigenständig entscheiden zu können, sie aber zwingen will, sich einem Schulcluster anzuschließen.“
Solche „wesentlichen Punkte müssen nachverhandelt werden“, meint Wöginger. „Dass die Bildungsministerin noch vor Beginn der Begutachtungsfrist erklärte, dass die Eckpunkte der Reform nicht verhandelbar seien, halte ich nicht für eine gute Verhandlungsposition.“Man dürfe über die vielen Stellungnahmen nicht einfach „drüberfahren“.
Vorsichtiger ist ÖVP-General Werner Amon: „Die Anzahl der bisher eingelangten Stellungnahmen ist ja beträchtlich. Wenn alles eingearbeitet ist, müssen wir erneut bewerten, ob die Reform Sinn macht –oder nicht.“
Auch Hammerschmieds Regierungskollegin von der ÖVP, Familienministerin Sophie Karmasin übt Kritik. Als problematisch sieht sie etwa die geplante Inklusion, also die Abschaffung der Sonderschulen, wie das in Südtirol seit dreißig Jahren bereits praktiziert wird. Karmasin: „Um ein ähnliches Betreuungsverhältnis Schüler-Lehrer wie in Südtirol zu bekommen, bräuchten wir allein in den Volksschulen um 40 Prozent mehr Lehrer. Die Bedenken der Eltern sind daher aus unserer Sicht mehr als verständlich.“
Zudem würden „bundesweit einheitliche Herbstferien für die Schüler eine wichtige Erholungsphase in der für sie anstrengenden Herbstzeit darstellen. Für die Eltern würden sie bessere Planbarkeit bedeuten. Denn vor allem bei Familien mit mehreren Kindern in unterschiedlichen Schulen oder Schulstufen ist es jedes Jahr auf“s neue eine große Herausforderung, die unterschiedlichen schulautonomen Tage unter einen Hut zu bringen“,findet die Familienministerin. Nachsatz: „Wir sind gespannt, ob die Bildungsministerin unsere Punkte berücksichtigen wird.“
„Geld und Personal sollen in Wien nur umgeschichtet werden. Das reicht nicht aus.“Heinrich Himmer Präsident Wiener Stadtschulrat
„Wenn alles eingearbeitet ist, müssen wir erneut bewerten, ob die Reform Sinn macht.“Werner Amon ÖVP-Generalsekretär
„Ich erwarte mir schon, dass es noch zu wesentlichen Abänderungen kommt.“August Wöginger ÖAAB-Bundesobmann