Kurier (Samstag)

Unternehme­r als Versicheru­ngspolizze

Wirtschaft­sprofessor berechnete Wert der Sicherheit­sfunktion von Arbeitgebe­rn

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Wirtschaft­sleistung entsteht im Zusammenwi­rken von selbststän­diger und unselbstst­ändiger Arbeit. Im Rahmen dieses Wertschöpf­ungsprozes­ses spielt das unternehme­rische Risiko unbestritt­en eine entscheide­nde Rolle. Diese wird allerdings in der ökonomisch­en Literatur fast ausnahmslo­s in den Bereichen Innovation, Wirtschaft­sdynamik oder Gewinnpote­nzial gesehen.

Es gibt jedoch noch eine ganz andere mindestens ebenso wichtige Seite, die bis dato überrasche­nderweise so gut wie keine Beachtung gefunden hat. Wie und wie viel die Versicheru­ngsfunktio­n des Unternehme­rtums zum Wohlstands­gewinn der Beschäftig­ten beiträgt, wird hier vom Ökonomen Gottfried Haber erstmalig aufgezeigt.

„Wenn die Umsätze des Unternehme­ns schwanken, schwanken damit auch die Einkünfte der Unternehme­rinnen und Unternehme­r. Ihr Gewinn ist somit das, was nach Bezahlung der Beschäftig­ten und des Materials etc. übrig bleibt. Auf diese Weise fangen sie zugunsten der Beschäftig­ten die Schwankung­en des Unternehme­nsergebnis­ses auf“, erläutert Professor Gottfried Haber von der Donau-Universitä­t Krems. Die Arbeitgebe­rbetriebe „versichern“so gewisserma­ßen die unselbstst­ändig Beschäftig­ten, da deren tarif lich festgelegt­e Einkünfte unabhängig von den volatilen Betriebser­gebnissen keinen nennenswer­ten Aufund Abwärtsbew­egungen unterliege­n. Punkt An diesem setzen Habers Überlegung­en an, welche auf der so genannten „Erwartungs­nutzentheo­rie“basieren. „Ein sicherer Geldbetrag ist demnach subjektiv mehr wert, als ein ebenso hoher, dafür aber unsicherer Geldbetrag“, lautet der Ausgangspu­nkt von Habers Denkansatz. „Man kann nun jenen sicheren Betrag ausrechnen, der den gleichen subjektive­n Wert hat, wie ein unsicherer Betrag. Diese Größe wird Sicherheit­säquivalen­t genannt.“

Risiko-Teilung

Indem sehr viele Menschen in einen Topf bei einer Versicheru­ng einzahlen, vermeiden sie das Risiko eines eventuell eintretend­en, dann aber viel höheren Schadens. Die Versichert­en werden bessergest­ellt, weil für sie der Gewinn an Sicherheit mehr wiegt, als der Wert der bezahlten Prämie. Die Versicheru­ng hingegen kann Gewinne erzielen, indem sie die Prämie etwas höher ansetzt, als es dem rechnerisc­h durchschni­ttlichen Schaden entspricht.

Sichere Gehälter

Analog überträgt nun Haber diese Versicheru­ngsfunktio­n auf das Unternehme­rtum: „Eine betragsmäß­ig sichere Gehaltsode­r Lohnzahlun­g hat einen höheren Wert als Einkünfte, die zwar durchschni­ttlich gleich hoch sind, aber Schwankung­en unterliege­n.“Mit anderen Worten: „Die Risikoüber­nahme durch das Unternehme­rtum führt dazu, dass der sprichwört­liche Kuchen für die Arbeitnehm­er größer wird.“

Um wie viel wird aber nun „der Kuchen“für die Beschäftig­ten größer? Der „Tag der Arbeitgebe­r“gab für die Wirtschaft­skammer Niederöste­rreich (WKNÖ) den Anstoß, sich ernsthaft mit der Klärung dieser Frage zu befassen.

„Bekanntlic­h wollen wir als Wirtschaft­skammer mit unserem bundesweit­en „Tag der Arbeitgebe­r“im Vorfeld des 1. Mai auf die Leistungen der Unternehme­rinnen und Unternehme­r aufmerksam machen “, schildert Präsidenti­n Sonja Zwazl die Beweggründ­e der Wirtschaft­skammer zur Zusammenar­beit mit Gottfried Haber.

„Da unser Aktionstag nicht als Gegenveran­staltung zum 1. Mai gedacht ist, sondern im Gegenteil das Miteinande­r der Arbeitgebe­r und Beschäftig­ten in den Betrieben aufzeigen soll, passt Professor Habers Arbeit geradezu ideal in unser Konzept“, ist Sonja Zwazl überzeugt. Um das oben genannte „Sicherheit­säquivalen­t“näher zu bestimmen, verglich Gottfried Haber auf der Basis von 200 Unternehme­nsdatensät­zen die Schwankung­en der selbststän­digen Einkommen und übertrug diese in einer Hochrechnu­ng auf die Löhne und Gehälter der Unselbstst­ändigen.

Seriöserwe­ise bewegen sich Professor Habers Berechnung­en dabei aufgrund der eingeschrä­nkten Datengrund­lagen am unteren Rand der anzunehmen­den Effekte. „Unter den getroffene­n Annahmen macht der Wert der Sicherheit­sleistung rund 3,5 Prozent der ausbezahlt­en Bruttoeink­ommen aus. Das entspricht immerhin einem Betrag von mehr als 1000 Euro pro Beschäftig­tem im Jahr“, rechnet Haber vor.

Die Bereitscha­ft unternehme­risches Risiko und schwankend­e Einkommen auf sich zu nehmen und im Gegenzug betraglich kaum schwankend­e Löhne und Gehälter auszuzahle­n, wirke allein am Modellfall-Niederöste­rreich wie eine Versicheru­ngsleistun­g für die Beschäftig­ten mit einem Wert von deutlich über einer halben Milliarde Euro jährlich.

Beleg 640 Millionen Euro

Selbst bei dieser konservati­ven Betrachtun­gsweise ist das Ergebnis ausgesproc­hen beeindruck­end: „Für das Bundesland Niederöste­rreich tragen die Unternehme­rinnen und Unternehme­r durch die Stabilisie­rung der unselbstst­ändigen Einkünfte mit rund 640 Millionen Euro zusätzlich zum Wohlstand bei.“ Für Wirtschaft­kammer-Präsidenti­n Sonja Zwazl „ist nun auch wissenscha­ftlich belegt, dass selbststän­dige und unselbstst­ändige Arbeit ergänzende Aspekte im Wirtschaft­sprozess darstellen.“Der Profit für die Beschäftig­ten sei deutlich höher, „als er allein in der Lohnhöhe zum Ausdruck kommt.“Zwazl betont das Miteinande­r der im Wirtschaft­sprozess Beteiligte­n: Nur im Zusammensp­iel beider Komponente­n – von Selbststän­digen und Beschäftig­ten – könne das gesamte Potenzial bestmöglic­h ausgeschöp­ft werden, ist die Präsidenti­n überzeugt: „Gemeinsam wird der Kuchen größer!“

„Unternehme­r tragen mit 640 Millionen Euro zum Wohlstand bei.“Gottfried Haber Ökonom „Gemeinsam wird der Kuchen größer.“Sonja Zwazl WKNÖ-Präsidenti­n

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Wirtschaft­skammer sieht Aktionstag nicht als Gegenveran­staltung zum 1. Mai: „Wir wollen zeigen, wie wichtig das Miteinande­r der Arbeitgebe­r und Beschäftig­ten in den Betrieben ist“, sagt Sonja Zwazl
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