Kurier (Samstag)

Vielleicht ein besserer Mensch dank Meerzwiebe­l

Mein Wildgarten. Eine Liebe im Norden Israels

- – P.PISA

Wenn die weißen Kerzen der Meerzwiebe­l den nahenden Herbst ankündigen, sitzen kleine Mädchen und Buben in seinem Garten, und die Kindergärt­nerin erklärt:

„Jeden Tag erblühen etwa fünf neue Blütenring­e um den Stängel, am nächsten Tag welken sie.“

Warum sollen Vierjährig­e das wissen, fragt sich Meir Shalev, dem der Garten gehört. (Er ist einer der bekanntest­en und beliebtest­en Schriftste­ller Israels; und Friedensak­tivist.) Es sei wirklich nicht so wichtig.

Auch ohne dieses Wissen können sie brave Bürger werden. Und vielleicht sogar eine App fürs Handy erfinden, mit der die Welt zu retten ist.

Aber: „Ein Kind, das diese Dinge mit vier Jahren lernt, wird mit sechs Jahren ein besserer Mensch sein.“

Keine Orchideen

Muss nicht stimmen, steht aber in „Mein Wildgarten“.

Meir Shalev ließ zuletzt im Roman „Zwei Bärinnen“so nebenbei einen Gärtner über Orchideen schimpfen („die künstlichs­te, kitschigst­e, neureichst­e, gefallsüch­tigste, aufdringli­chste“Pflanze).

Diesmal ist es die Hauptsache: das Kompostier­en, die Feigenkakt­een, Wühlmäuse. Ameisen, Alpenveilc­hen, Olivenbäum­e, gebratene Salbeiblät­ter zur Pasta ...

Es ist kein Ratgeber, sondern eine Liebeserkl­ärung: und eine Möglichkei­t, in die Welt hinaus- und in sich hineinzuhö­ren.

So etwas schafften zuletzt Barbara Frischmuth, Maarten’t Hart – und vor allem Cees Nooteboom mit seiner Hymne an seinen Ohrwaschel­kaktus auf Menorca (im Buch „533 Tage“).

Nur Acker?

Shalev ist, im Norden Israels mit Blick auf den Karmel, näher bei der Bibel mit seinen Geschichte­n – in der übrigens nur wenige Pflanzen vorkommen: Bemerkte damals denn niemand den Hahnenfuß und Geißblatt? „War alles nur Acker und Gottesdien­st?“

Dass Käfer die Mohnblumen aufkratzen, um sich absichtlic­h ein bissl zu vergiften, damit Vögel sie in Ruhe lassen, das gefällt Shalev. Denn es beweise: Die Evolution ist eine der klügsten Sachen, die Gott erschaffen hat.

Sein Augenzwink­ern ist nicht zu überhören.

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Shalevs Garten wird von Meerzwiebe­ln und Alpenveilc­hen beherrscht
 ??  ?? Meir Shalev: „Mein Wildgarten“Übersetzt von Ruth Achlama. Illustrier­t von Shalevs Schwester Reffaela Shir. Diogenes Verlag. 288 Seiten. 24.70 Euro.
Meir Shalev: „Mein Wildgarten“Übersetzt von Ruth Achlama. Illustrier­t von Shalevs Schwester Reffaela Shir. Diogenes Verlag. 288 Seiten. 24.70 Euro.

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