Ein echter Gentleman darf nicht rußen
Smoke. Nach einer Idee von Dickens beeindruckt ein dicker Roman, der nicht nur Unfug ist
Werbung wird vom Verlag damit gemacht, dass „ Smoke“Harry Potter und der Hogwarts-Schule ähnelt.
Ein 18-Jähriger befürchtet bis zum Schluss, dass der Teufel in ihm steckt.
Aber die Älteren werden sich vielleicht auch an einen gewissen Charles Dickens erinnern, haha, und der ist ebenfalls ein Grund, sich für dieses Buch zu entscheiden.
Es war Dickens, der Dan Vyleta – Sohn tschechischer Einwanderer in Gelsenkirchen, Geschichtsstudent in Wien, wohnhaft in England – das Schreiben beibrachte: dicke Romane mit vielen Nebenhandlungen, unerschrocken sentimental.
Außerdem hat Dickens 1848 die Idee notiert: Was, wenn moralische Pestilenz aus den Leuten aufsteigen würde? Und so entstand „Smoke“– nur schwer zu schubladisieren. Gut so.
Das spätviktorianische England ist isoliert, verständlicherweise: Bei Menschen, die hier sündigen, steigt Rauch aus Nase und Poren und hinterlässt Rußflecken. Total schwarze und ölige, wenn die Gedanken gar widerlich sind. Also mordlüstern. Oder ... lüstern.
Beides gilt als schrecklich, man hat sogar Angst vor einem Kuss. Alles fürchtet sich vor dem Rauch. Zumindest die „Höheren“fürchten ihn und lutschen geheimnisvolle Bonbons, die den Rauch im Mund auflösen.
In London ist man nicht so heikel. Da ist alles „vernebelt“, und die Häuser sind bis zum ersten Stock pechschwarz.
Aber Gentlemen dürfen nicht so ordinär rauchen: In einem Internat in Cambridge werden die Kinder der Reichen und Erfolgreichen da- hingehend erzogen, sich nicht gehen zu lassen.
Es wird ein zunächst nach Unfug aussehender, jedoch tiefer gehender Roman über Reich und Arm, über die Gründung einer Gewerkschaft, über eine Revolution, die unter Umständen sogar dazu führen könnte, dass 1 Frau mit 2 Männern lebt.
Und damit es noch finsterer wird, steigt man mit abwechselnden Ich-Erzählern in ein Bergwerk bzw. in die Kanalisation der Hauptstadt. Es wird also etwas geboten.
Das Kunststück ist, es qualmen zu lassen, sodass man schwache Momente nicht bemerkt, und immer das Gefühl hat, man liest vom echten Leben.