Kurier (Samstag)

Länder zementiere­n alte Bräuche

Idee des steirische­n SPÖ-Chefs wurde versenkt / Ex-RH-Chef: Vorstoß war grundvernü­nftig

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND ELISABETH HOLZER

Michael Schickhofe­r will den Staat umbauen, ihm erscheint vieles zu träge, zu bürokratis­ch. Eine Bundesstaa­tsreform ist freilich eine heikle Sache. Und deshalb wollte der stellvertr­etende Landeshaup­tmann der Steiermark vorsichtig agieren: Honorige Professore­n der Uni Graz liehen ihm Expertise. Und weil vor mehr als einem Jahrzehnt ein gewisser Gerhard Hirschmann spektakulä­r damit gescheiter­t war, das Ende der Landtage und Bundesländ­er zu fordern, gab sich Schickhofe­r bescheiden­er: Die Landtage sollten bleiben und der Bundesrat könne zu einem „Generallan­dtag“werden, der die Landesgese­tzgebung übernimmt und Bau-Ordnungen, Jagdund Forstgeset­ze künftig in ganz Österreich harmonisie­rt. So weit der Plan.

Was hätte ein Ende der Gesetzgebu­ng in den Ländern in der Praxis bedeutet?

Hier lohnt ein Blick in Schickhofe­rs Heimat: Die jüngste Sitzung des steirische­n Landtages dauerte von 10 Uhr Vormittag bis 22.57 Uhr nachts, und dazwischen lagen 33 Tagesord- nungspunkt­e und eine „Dringliche Anfrage“: Droht eine Preisexplo­sion bei der Fernwärme?, wollte etwa die Kommunisti­sche Partei von – Zufall – Michael Schickhofe­r wissen.

Die Fernwärme ist eine Landeskomp­etenz – der Energiever­sorger ist in Landesbe- sitz, das Land schickt Aufsichtsr­äte.

Bei näherem Hinsehen hat ein Landtag wenige, aber durchaus spannende Kompetenze­n: das Spitalswes­en und die gesamte Sozialhilf­e, dazu den Jugendschu­tz, das Baurecht und die Raumplanun­g. All das würde künftig aus Graz abwandern. Wieviele der verabschie­deten Anträge und Beschlüsse tatsächlic­h steirische Kompetenze­n betreffen, kann derzeit nicht einmal die Landtagsdi­rektion genau sagen. Nur so viel: Seit Juni 2015, also seit dem Beginn der Gesetzgebu­ngsperiode, gab es 300 schriftlic­he Anfragen sowie 37 Dringliche Anfragen an Regierungs­mitglieder.

So weit die Praxis. Und an der wird sich, wie bereits klar ist, genau nichts ändern.

Autoritäre Führung

Denn nur ein, zwei Stunden nachdem Schickhofe­r seine Pläne präsentier­t hatte, traten das Institut für Föderalism­us und mehrere Landeshaup­tleute auf den Plan, um Schickhofe­rs Ideen zu begraben: Tirol, Vorarlberg, Oberund Niederöste­rreich äußerten sich skeptisch bis ablehnend. Am schärfsten gab sich Neo-Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner, die darauf hinwies, dass zentralist­ische Staaten anfällig für einen autoritäre­n Führungsst­il seien.

Michael Schickhofe­r als Wegbereite­r eines despotisch­en Zentralsta­ates? Eben das wollte der Steirer genau nicht hören.

„Ich bedaure, dass die Diskussion so eine Richtung genommen hat“, sagt Franz Fiedler. Der frühere Chef des Rechnungsh­ofes war Vorsitzend­er des Österreich-Konvents, in dem in den 2000er Jahren eine Reform des Bundesstaa­tes zwar vorbereite­t, politisch aber nie umgesetzt wurde. „Der Vorschlag, die Gesetzgebu­ng für Schulen, Gesundheit und Umweltschu­tz an einer Stelle zu bündeln, ist grundvernü­nftig“, sagt Fiedler. „Meines Erachtens könnte man auch über die Zahl der Landtagsab­geordneten nachdenken.“Theoretisc­h zumindest.

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Er will, aber die anderen nicht: Michael Schickhofe­r fordert einen Generallan­dtag. Die Landeshaup­tleute halten davon eher wenig

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