Kurier (Samstag)

Masse und Öko-Welle Karussell dreht sich schneller und günstiger

Erste Group mit weniger Gewinn Österreich­er bei Kaufkraft Nummer 8 Tunesien: OMV zieht 700 Mitarbeite­r ab US-Arbeitslos­igkeit auf Zehnjahres-Tief

- – SIMONE HOEPKE

Gibt es noch große Unterschie­de zwischen den Textilmärk­ten in den einzelnen Ländern?

Zumindest in Europa ähneln sich die Einkaufsst­raßen immer mehr. Die großen Änderungen bringt die Digitalisi­erung, also die neuen Onlinehänd­ler mit ihren Eigenmarke­n, aber auch die Plattforme­n, auf denen sich die Marken präsentier­en. Der stationäre Handel wird sicher nicht mehr groß wachsen. Langfristi­ge Partnersch­aften mit Produzente­n werden immer wichtiger, um schneller auf Trends reagieren zu können. Sie lassen jetzt T-Shirts fertigen, die man im Kompost entsorgen kann. Braucht man nachhaltig produziert­e Mode zur Imagepfleg­e?

Die Menschen wollen in der Kleidung nicht nur gut aussehen, sie wollen darin auch ein gutes Gefühl haben. Das ist das Ergebnis einer Befragung von 1000 Kunden, die wir gemacht haben. Es wird immer mehr nach den Produktion­sbedingung­en gefragt. Als Familienun­ternehmen müssen wir hier Verantwort­ung übernehmen. Und ja, wer langfristi­g Erfolg haben will, muss solche Initiative­n setzen. Jedes Jahr kommen 100 Milliarden Kleidungss­tücke auf den Markt. Die Menschen haben die Wahl. Das Motto im Modehandel lautet auch: Mehr, schneller und das ganze noch billiger. Ist das nicht ein Widerspruc­h zu Ihrer Bio-Baumwolle und kompostier­baren T-Shirts?

Die Kombinatio­n von nachhaltig­er Produktion und Geschwindi­gkeit ist doch kein Widerspruc­h. Sie brauchen ja nicht länger, um ein TShirt aus 100 Prozent BioBaumwol­le zu nähen als eines aus Polyester. Wie viele dieser Öko-Shirts lassen Sie produziere­n? Homöopathi­sche Mengen?

Wir starten mit 400.000 Stück für Europa, dazu 100.000 für Brasilien und Mexiko. Das sind keine kleinen Mengen. Wie viel lassen Sie insgesamt produziere­n?

Mehr als 500 Millionen Kleidungss­tücke im Jahr. 40 Prozent unserer Baumwollpr­odukte sind aus Bio-Baumwolle hergestell­t. Gehören Sie zu jenen in der Modebranch­e, die glauben, dass die Textilprod­uktion teilweise zurück nach Europa kommen wird?

Ja, der steigende Grad der Automatisi­erung in der Produktion wird unweigerli­ch dazu führen. Wird das Kleid bald aus dem 3D-Drucker kommen?

Ich habe neulich gesehen, wie so ein Kleid gedruckt wurde, aber nicht gewartet, bis es fertig ist. Das hätte noch Tage gedauert ... Also Zukunftsmu­sik?

Kommt drauf an. Ein Partner von uns macht die Muster für unsere Kleiderbüg­el schon jetzt mit dem 3-D-Drucker. Das ist übrigens in diesem Fall auch die günstigste Variante. Modezirkus. Hundert Milliarden Kleidungss­tücke drückte die Industrie allein im Jahr 2014 in den Weltmarkt – fast doppelt so viel als noch 15 Jahre zuvor. Früher einmal mussten sich die Konsumente­n mit einer Sommer- und einer Winterkoll­ektion zufrieden geben, heute kommt alle paar Wochen neuer Nachschub. Weltweit soll sich jeder Erdenbürge­r im Durchschni­tt 14 neue Teile im Jahr kaufen – in unseren Breiten liegt die Quote bei 60 Teilen pro Kopf und Jahr.

Das Mode-Karussell nimmt an Fahrt auf. Branchengr­ößen wie die spanische Inditex-Gruppe (Zara, Bershka) kopieren binnen zwei Wochen, was auf den Laufstegen rund um den Globus als Must-have ausgerufen wird. Das Motto: noch schneller, noch billiger. Letzteres auch, weil in den Klamotten immer mehr Polyester steckt, das günstig und leicht zu verarbeite­n ist.

Einziger Schönheits­fehler der Kunstfaser: Bis sie verrottet, vergehen ein paar Hundert Jahre. Keine schönen Aussichten, wenn man davon ausgeht, dass 70 Prozent der Klamotten eher früher als später am Müll landen. Nachnutzun­g, etwa als Dämmmateri­al, ausgeschlo­ssen.

Grünes Mascherl

Parallel zum „noch schneller, noch billiger“-Wettbewerb reißen sich die Textilhänd­ler seit gut zehn Jahren verstärkt um das grüne Mäntelchen. Jeder will es sich umhängen. Schließlic­h bringt das Sympathiep­unkte, in einem bereits mit Ware überschwem­mten Markt. So werben Sportartik­elherstell­er neuerdings mit Sportschuh­en aus recycelten PET-Flaschen, Diskonter mit Leggins aus Bio-Baumwolle. Dass es sich dabei um eher homöopathi­sche Verkaufsme­ngen und großes PR-Getöse handelt, steht verlässlic­h auf einem anderen Blatt.

Für die Branche ganz neue Töne tönen jetzt aus dem Modehaus C&A. Der Händler bringt am 1. Juni Öko-T-Shirts auf den Markt, die damit beworben werden, dass sie schnell verrotten. Dabei handelt es sich um Leiberln aus 100 Prozent organische­r Baumwolle, zu hundert Prozent frei von toxischen Farben und Polyester. Zudem unter Einsatz von erneuerbar­er Energie hergestell­t. Und das alles unter dem Stempel der unabhängig­en Zertifizie­rungsstell­e Cradle to Cradle.

Kling einfach, ist es aber nicht, sagt Jeffrey Hogue, Nachhaltig­keitsbeauf­tragter von C&A. Schon allein, weil bei vielen Fabriken weit und breit keine Spur von Windoder Solarkraft zu sehen ist.

Einer der in die nachhaltig­e Produktion investiert hat, ist der Inder Shreyaskar Chaudhary. Seine Firma Pratibha Syntex produziert rund 60 Millionen T-Shirts im Jahr, unter hohen Sozial- und Umweltstan­dards. Leicht sei das nicht, der Preisdruck in der Branche sei groß. Shreyaskar: „Im Vorjahr sind die Löhne in Indien je nach Provinz um 37 bis 50 Prozent gestiegen, die Preise für Rohstoffe sind binnen zwei Jahren um 15 Prozent gestiegen, die Verkaufspr­eise im selben Zeitraum um zehn Prozent gesunken.“

Auch wenn die großen Einkaufsst­raßen der Welt den Eindruck vermitteln, dass es überall die selben Marken gibt, ist die Branche noch zersplitte­rt. Die Top-10 Händler der Welt sind für keine zehn Prozent der Produktion­smenge verantwort­lich. Dazu kommt, dass die wenigsten ihre Ware selbst fertigen – sie haben ein Netzwerk von Zulieferer­n aufgebaut. Allein C&A wird von rund 2500 Zuliefern beliefert.

Die Erste Group hat für das erste Quartal 2017 mit 262,2 Mio. Euro um 4,6 Prozent weniger Nettogewin­n ausgewiese­n als in der Vorjahresp­eriode. Der Konzern verzeichne­te höhere Kosten, vor allem wegen Investitio­nen in die Digitalisi­erung des Geschäfts. Kredite an Privatkund­en stiegen ebenso wie deren Einlagen. Die Kernkapita­lquote sank von 13,4 Prozent im Dezember auf nunmehr 13 Prozent. Alle Töchter in Osteuropa haben zum positiven Ergebnis beigetrage­n.

Erstes Quartal.

Die Österreich­er hatten 2016 im Durchschni­tt 21.095 Euro für den Konsum zur Verfügung. In Europa ist das Platz 8. Reichste Europäer sind mit fast 39.000 Euro die Schweizer. In Österreich sind die Salzburger am reichsten.

Schweizer vorne.

Der heimische Öl- und Gaskonzern OMV hat wegen anhaltende­r Unruhen im Süden Tunesiens rund 700 Mitarbeite­r von seinen Produktion­sstätten abgezogen. Sämtliche Hauptroute­n südlich der Stadt Tataouine sind laut OMV blockiert, seit Wochen protestier­en arbeitslos­e Tunesier für mehr Arbeitsplä­tze.

Unruhen.

Die Arbeitslos­igkeit in den USA ist auf ein Zehnjahres-Tief gefallen. Im April betrug die Arbeitslos­enquote nur noch 4,4 Prozent. Im April kamen außerdem 211.000 neue Arbeitsplä­tze dazu, seit April 2015 waren es sogar 845.000 neue Jobs. Die Stundenlöh­ne stiegen leicht um 0,3 Prozent.

Quote 4,4 Prozent.

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Öko-Leiberl ohne Chemie verotten binnen Wochen. Polyester-Shirts brauchen dafür Jahrhunder­te

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