Kurier (Samstag)

Geschichte kennen, Verantwort­ung tragen

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Es wird viel dahergepla­ppert in Politik und Medien. Ein Blick in die Geschichts­bücher hilft, nicht nur bei uns.

Hammer und Sichel – das steht für Kommunismu­s, das wussten die Macher der ÖVP-Broschüre natürlich. Aber wissen sie auch, was Kommunismu­s in seiner schlimmste­n Form bedeutete? Arbeitslag­er, Massenmord und Tote an der Berliner Mauer bis knapp vor Ende der DDR. SPÖ-Chef Christian Kern in diese Nähe zu rücken ist zumindest dumm.

Ein Herausgebe­r wiederum stellt einen Vergleich mit der Nazi-Zeit an, weil eine Gruppe in der SPÖ gegen die Verbreitun­g von immer wieder verhetzend­en Gratiszeit­ungen auf öffentlich­em Boden ist. Wie reagiert die SPÖ? Durch noch mehr Inserate, weil die Feigheit der SPÖ-Spitze offenbar größer ist als ihr historisch­es Bewusstsei­n. Vom notwendige­n Respekt vor den Nazi-Opfern wollen wir gar nicht reden.

Am Montag denken wir wieder an die Befreiung Österreich­s, an das Ende des 2. Weltkriegs, an die bedingungs­lose Kapitulati­on der deutschen Wehrmacht. Das ist auch eine gute Gelegenhei­t, darüber nachzudenk­en, wie es zu Krieg und Nazi-Terror kam. Ganz kurz gesagt: Wenn man für die eigenen Probleme, auch das eigene Elend, Minderheit­en und anderen Nationen die Schuld gibt, ist schon die Grundlage für Hass und Gewalt gelegt.

Hitler und die Nazis haben darauf aufbauend Aggression und Vernichtun­g mit einer brutalen Konsequenz durchgezog­en, die bis dahin unvorstell­bar gewesen ist. Und als Österreich­er wissen wir, dass man mit einer Diktatur eine andere nicht verhindern kann.

Diese Erkenntnis­se alleine sollten reichen, um ständige Bösartigke­it und persönlich­e Abwertung aus dem politische­n Diskurs herauszuha­lten. Dem Hass folgt die Gewalt, im Internet sind die Grenzen oft fließend, wenn immer wieder zu Gewalttate­n aufgeforde­rt wird oder diese verherrlic­ht werden.

Geschichte verstehen, Zukunft vorbereite­n

So gesehen ist es auch kein politische­s Programm wenn Populisten erklären, sie würden nur die Wut der Menschen aufgreifen. Das hat Marine Le Pen im Wahlkampf gemacht, und die Wut unter anderem auf die Deutschen lenken wollen. Die Kriegsverb­rechen der Wehrmacht dürfen nicht vergessen werden, aber es gab auch die Kollaborat­ion von Franzosen, ein Kapitel der Geschichte, das lange nicht populär war in Frankreich, ebenso wenig wie der Kolonialkr­ieg in Algerien (1954–1962).

Da war Emmanuel Macron zunächst mutig, als er von „Verbrechen gegen die Menschlich­keit“sprach, später meinte er, er wollte niemanden beleidigen. Le Pen versuchte, gegen diese den Fakten entspreche­nde Formulieru­ng zu polemisier­en. Geschichte im Wahlkampf, ein riskantes Unterfange­n.

Das gilt auch für den permanente­n Wahlkampf, in dem wir uns leider befinden. Historisch­e Konflikte, wenn es sie noch gibt, müssen ernsthaft abgehandel­t werden. Für die großen Probleme von heute und morgen hilft nur die Erkenntnis, dass der Frieden schnell zerstört und nur mühsam wieder erreicht werden kann.

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