Kurier (Samstag)

Sängerin Jamala

Vorjahress­iegerin über den Song Contest und die Krim

- VON STEFAN SCHOCHER

KURIER: Wie kommt es Ihrer Ansicht nach, dass derzeit internatio­nal und auch in der Ukraine recht wenig über die Krim gesprochen wird? Susana A. Dschamalad­inowa: Ich denke, derzeit passiert so viel in der Welt. Syrien, der Terror in London und Paris. Da verschwind­et so eine kleine Halbinsel wie die Krim aus den Nachrichte­n. Im internatio­nalen Maßstab passieren da keine lauten Nachrichte­n. Aber dennoch: Menschen verschwind­en, werden für nichts verhaftet, und all das hat keine Konsequenz­en für die Täter. All das ohne Prozesse und Verfahren. Menschen verschwind­en, weil sie für ihr Recht gekämpft haben, am 18. Mai auf die Straße zu gehen – das ist der Tag der Deportatio­n der Krimtatare­n. Für ihr Recht, religiöse Feiertage zu zelebriere­n. Was wir wollen, ist ein ruhiges Leben in unserer Heimat; gemeinsam unsere Feste feiern. Aber ein Treffen von mehr als fünf Menschen wird bereits als Versammlun­g angesehen, für die eine Genehmigun­g benötigt wird. In unseren Moscheen sind immer Beobachter des Staates anwesend. Das Recht auf die freie Ausübung der Religion wird gebrochen. Tut denn die ukrainisch­e Regierung Ihrer Ansicht nach genug für die Tataren?

Die Ukraine unterstütz­t die Tataren. Es gibt eine Reihe an Organisati­onen und NGOs, KrimSOS und derglei- chen. Und diese Organisati­onen sowie die Regierung und die NGOs sind geeint in ihrem Ziel. Die Tataren fühlen sich wie zu Hause. Ich habe mich hier nie als Gast gefühlt. Ich fühle mich als Teil dieses Landes und ich liebe es. Und ich wünsche mir Frieden für dieses Land. Das sind nicht nur Worte. Wir wurden zerteilt. Sie haben Teile des Donbass gestohlen, die Krim. So etwas darf nicht passieren. Es wird vielleicht viel Zeit vergehen, aber die Dinge werden sich wieder fügen. Diverse Minderheit­en haben Befürchtun­gen, was Rechtspopu­lismus in der Ukraine angeht.

Ja, es gibt diese weltweite Tendenz. Wir spüren das. Ich bin kein Politiker und ich kann Ihnen dazu keine pro- funde Antwort geben. Aber auf einer emotionale­n Ebene fühle ich, dass das eine Tendenz in eine ferne Vergangenh­eit ist. Eine ferne Vergangenh­eit, in die ich mir nicht wünsche, dass die Menschheit geht. Totalitäre Regimes haben der Welt niemals Gutes gebracht. stellen, wo da Zeit bleiben soll für andere Aktivitäte­n außerhalb der Musik. Ist es möglich, derzeit als Tatar nicht politisch zu sein?

Möglicherw­eise, wenn man in keiner Weise öffentlich­e Person ist. Dann geht das

vielleicht.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria