Sängerin Jamala
Vorjahressiegerin über den Song Contest und die Krim
KURIER: Wie kommt es Ihrer Ansicht nach, dass derzeit international und auch in der Ukraine recht wenig über die Krim gesprochen wird? Susana A. Dschamaladinowa: Ich denke, derzeit passiert so viel in der Welt. Syrien, der Terror in London und Paris. Da verschwindet so eine kleine Halbinsel wie die Krim aus den Nachrichten. Im internationalen Maßstab passieren da keine lauten Nachrichten. Aber dennoch: Menschen verschwinden, werden für nichts verhaftet, und all das hat keine Konsequenzen für die Täter. All das ohne Prozesse und Verfahren. Menschen verschwinden, weil sie für ihr Recht gekämpft haben, am 18. Mai auf die Straße zu gehen – das ist der Tag der Deportation der Krimtataren. Für ihr Recht, religiöse Feiertage zu zelebrieren. Was wir wollen, ist ein ruhiges Leben in unserer Heimat; gemeinsam unsere Feste feiern. Aber ein Treffen von mehr als fünf Menschen wird bereits als Versammlung angesehen, für die eine Genehmigung benötigt wird. In unseren Moscheen sind immer Beobachter des Staates anwesend. Das Recht auf die freie Ausübung der Religion wird gebrochen. Tut denn die ukrainische Regierung Ihrer Ansicht nach genug für die Tataren?
Die Ukraine unterstützt die Tataren. Es gibt eine Reihe an Organisationen und NGOs, KrimSOS und derglei- chen. Und diese Organisationen sowie die Regierung und die NGOs sind geeint in ihrem Ziel. Die Tataren fühlen sich wie zu Hause. Ich habe mich hier nie als Gast gefühlt. Ich fühle mich als Teil dieses Landes und ich liebe es. Und ich wünsche mir Frieden für dieses Land. Das sind nicht nur Worte. Wir wurden zerteilt. Sie haben Teile des Donbass gestohlen, die Krim. So etwas darf nicht passieren. Es wird vielleicht viel Zeit vergehen, aber die Dinge werden sich wieder fügen. Diverse Minderheiten haben Befürchtungen, was Rechtspopulismus in der Ukraine angeht.
Ja, es gibt diese weltweite Tendenz. Wir spüren das. Ich bin kein Politiker und ich kann Ihnen dazu keine pro- funde Antwort geben. Aber auf einer emotionalen Ebene fühle ich, dass das eine Tendenz in eine ferne Vergangenheit ist. Eine ferne Vergangenheit, in die ich mir nicht wünsche, dass die Menschheit geht. Totalitäre Regimes haben der Welt niemals Gutes gebracht. stellen, wo da Zeit bleiben soll für andere Aktivitäten außerhalb der Musik. Ist es möglich, derzeit als Tatar nicht politisch zu sein?
Möglicherweise, wenn man in keiner Weise öffentliche Person ist. Dann geht das
vielleicht.