ÖVP-Länder: Generalvollmacht für Kurz
Warum die Landeschef dem neuen Parteichef nun doch mehr Macht abgeben wollen
Da standen sie, die Landeshauptleute. Seite an Seite in der Abendsonne. Vor ihnen waren die Tiroler Schützen aufmarschiert, man bereitete den honorigen Gästen den traditionellen Empfang in Alpbach.
Es war einer der ruhigen Momente der Landeshauptleute-Konferenz. Eine friedliche Ausnahme irgendwie, denn vor und nach dem Empfang in dem Bergdorf hatten vor allem die ÖVP-Granden Wichtiges zu besprechen.
Es ging um Sebastian Kurz, um mögliche Neuwahlen, man traf sich im Böglerhof und beriet die Lage.
Als Sebastian Kurz am Freitag seine sechsminütige Erklärung abgegeben hatte, war hier, im idyllischen Alpbach, klar: Kurz’ Inthronisation als Parteichef ist absolut alternativlos; und dazu gehört, ihm weitgehend freie Hand bei Personal und politischer Linie zu lassen.
Diese Erkenntnis, und das ist das eigentlich Spannende, war für die Länderchefs freilich alles andere als ausgemacht. „Durch den Rücktritt von Reinhold Mitterlehner ist eine Tür aufgegangen“, sagte einer der ÖVP-Länderchefs. Ob und wie Kurz sie durchschreiten würde, war indessen bis Donnerstag noch weitgehend offen.
Kurz telefonierte mit einzelnen Landeshauptleuten in Alpbach. Er zierte sich und stellte seinen Parteifreunden Bedingungen. Dazu gehörte, dass er die 20 Top-Jobs in der Partei selbst besetzen bzw. bei der Entscheidung ein gewichtiges Wort zu reden hat (der KURIER berichtete in seiner Freitag-Ausgabe).
Wie weit soll und darf der ÖVP-Chef mit Durchgriffsrechten ausgestattet werden? Das war eine, wenn nicht die zentrale Frage, die die Landeschefs berieten.
Druck erhöhen
Einer der ÖVP-Landes-Bosse bestätigt dem KURIER, er habe Kurz am Donnerstag empfohlen, den Druck zu erhöhen. „Ich habe ihm dazu geraten, einen offensiven Schritt abseits der Parteilogik zu setzen.“– Genau das war die kurze Rede im Ministerium.
Und nachdem auch ÖVPLandesorganisationen wie die Steiermark intern klargemacht hatten, dass man Kurz freie Hand lassen müsse, dass ÖVP-Landeshauptmann Vorarlberg es also einer Generalvollmacht bedarf, schwand der Widerstand gegen die anfangs als zu forsch empfundenen Bedingungen.
„Dass er Klubobmann, Generalsekretär und das Regierungsteam selbst bestimmen soll, ist klar. Kurz verlangt nicht mehr, als ich als Landesobmann“, sagte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner. „Er hat recht, wenn er sagt, es muss sich in der Partei etwas ändern.“Ähnlich der Tiroler Günther Platter: „Die Strukturen müssen sich ändern und an die Vorstellungen von Sebastian ÖVP-Landeshauptmann Tirol Kurz anpassen.“Platter geht es auch um das Außenbild der ÖVP. „Die Menschen erwarten, nicht immer mit Parteigeplänkel konfrontiert zu werden.“Platter ist Chef der Landeshauptleute-Konferenz und was die Parteikollegen angeht, spricht er für alle, wenn er sagt: „Es wäre ein fataler Fehler, würden wir Kurz nicht offensiv unterstützen.“
Das derzeit wahrscheinlichste Szenario ist: Sebastian Kurz wird am Sonntag Parteichef mit umfassender Personal- und Themen-Hoheit. Man könnte auch sagen: mit einem Blankoscheck.
Warum aber sollte Kurz von den Ländern bekommen, was seinen Vorgänger real stets verwehrt blieb?
Das hat mehrere Gründe: – Wahlchancen Die Landeshauptleute wissen, wie alle gewichtigen Funktionäre in der ÖVP, dass die anstehende Nationalratswahl ohne Kurz – mangels Alternativen – mit einem Ergebnis deutlich unter der 20-Prozent-Marke und damit im Fiasko endet. Mit Kurz bestehe indessen ein Potenzial auf 35 Prozent, heißt es in der ÖVP. – Win-win-Situation Das bedeutet weiters, dass sich allfällige Zugeständnisse, die die Länderchefs dem neuen ÖVP-Boss bei der Erstellung der Wahllisten oder dem Schatten-Kabinett für Ministerien machen müssen, mehrfach rechnen. Ein Länder-Vertreter erklärt das so: „Wenn Kurz antritt, winkt ein Wahl-Plus, das nicht nur die bestehenden Listenplätze sichern, sondern – abgesehen von Kurz’ Wunschkandidaten – zusätzliche Kandidaten ins Parlament bringen könnte. Für die Länder ist eine Kurz-Kandidatur einfach eine Win-win-Situation.“– Länderwahlen Abgesehen von den Wahlchanchen bei der Nationalratswahl spricht auch noch ein anderer Faktor für die weitgehende Zustimmung der Landes-ÖVPChefs: Drei von der ÖVP geführte Länder wählen im Frühling 2018 einen neuen Landtag. „Scheitert Kurz als ÖVP-Chef, so hat das extrem negative Auswirkungen auf die Wahlkämpfe in Salzburg, Niederösterreich und Tirol“, sagt ein Länder-Vertreter. „Wir wären dumm, würden wir uns den größten Wahl-Joker vorab ruinieren.“
„Kurz verlangt nicht mehr als ich. Er hat recht, wenn er sagt, es muss sich etwas ändern.“
Markus Wallner
„Die Strukturen müssen sich ändern und an Kurz’ Vorstellungen anpassen.“
Günther Platter