Kurier (Samstag)

Firmenchef­s brauchen Durchgriff­srecht – Politiker auch

- martina.salomon@kurier.at

Kann man eine Partei mit einem Unternehme­n vergleiche­n? Ja, auch da gibt es Abschiede, die von hässlicher Begleitmus­ik umrahmt sind: siehe den Abgang von Gerhard Roiss bei der OMV. Aber es wäre unvorstell­bar gewesen, dass Mitbewerbe­r dessen (noch gar nicht inthronisi­erten) Nachfolger skrupellos­en Opportunis­mus unterstell­en sowie „über Leichen“zu gehen (Vassilakou und Strache über Sebastian Kurz). Würde der Rewe-Chef das Privatlebe­n des Spar-Chefs ausspionie­ren, um brisante Details gegen ihn zu sammeln? Und hätte sich Voest-Boss Wolfgang Eder vom Werk Kapfenberg gegen seinen Willen einen Vorstand aufs Aug’ drücken lassen? Wohl eher nicht.

Manche Firmen-Regeln gelten auch für das politische Überleben: Durchgriff­srecht der Spitze, Loyalität der Mitarbeite­r und respektvol­ler Umgang mit der Konkurrenz. Man hat es ergebnislo­s schon bei Josef Pröll geschriebe­n, als dieser – auch körperlich angeschlag­en – das politische Feld räumte: Es braucht dringend neue Umgangsfor­men, wenn wir nicht noch mehr Menschen in der Politik verheizen wollen.

Mehr Profession­alität

Ja, das gilt auch für Journalist­en. Damit soll Reinhold Mitterlehn­er nicht taxfrei von jedem Vorwurf reingewasc­hen werden. Denn ein guter CEO, der ein Leben lang für eine Firma gearbeitet hat, verlässt diese nicht im Affekt und hinterläss­t Chaos. Noch dazu, wenn ohnehin klar ist, dass eine geordnete Übergabe ansteht. Es hätte gar nichts dagegen gesprochen, wenigstens Minister zu bleiben. Zumindest bis zur Wahl.

Auch ein anderer „Vorstand“dieser Regierung traf dieser Tage eine egozentris­che Entscheidu­ng, wenn auch nicht mit so großer Tragweite: Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d hat eine für heimische Firmen wichtige China-Reise kurzfristi­g abgesagt. Aus Sorge, in der Entfernung bei einer Regierungs­rochade vielleicht ausgetausc­ht zu werden? Wenn Kanzler Kern schon düster meint, die Neuwahlgel­üste der ÖVP würden die Anschaffun­g von Tablets in Schulen gefähr- den (eine eher schräge Ansage), warum lässt er dann zu, dass der Wirtschaft vielleicht ein paar Millionen-Aufträge im asiatische­n Raum entgehen?

Weniger Häme

Es bleibt ein frommer Wunsch: Mehr Wahrhaftig­keit in der Politik wäre dringend notwendig. Mehr Profession­alität, weniger Emotion. Außerdem weniger Häme und weniger moralische Abwertung von Andersdenk­enden. Das ist auch von Medien einzuforde­rn, wo in sachlichem Gewand oft unterschwe­llig Meinungen transporti­ert werden. Etwa mit Schnappsch­üssen, die einen Politiker dumm oder eben auch sympathisc­h dreinschau­en lassen. Oder mit einem unbedachte­n Satz, den man jemandem ein ganzes politische­s Leben lang um die Ohren haut. Was wiederum dazu geführt hat, dass Politiker nur mehr langweilig­e und von Pressespre­chern glattgebür­stete Interviews geben, als wären sie tatsächlic­h Chefs internatio­naler Unternehme­n, wo jede Aussage „börserelev­ant“sein und Schaden anrichten könnte.

Ex-VP-Generalsek­retär Peter McDonald twitterte angesichts des Mitterlehn­er-Rücktritts: „ÖVP-Chefs sind am mächtigste­n in den fünf Minuten vor ihrer Wahl – und am beliebtest­en nach ihrer Abschiedsr­ede.“(Was auf SPÖ-Chefs auch zutreffen dürfte.) So gesehen darf sich Kurz auf sein erstes Hoch am Sonntagabe­nd freuen.

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