Kurier (Samstag)

(Fast) Nichts geht mehr

Frühzeitig­es Koalitions-Aus begräbt Projekte für Arbeit und Bildung

- VON MARIA KERN UND RAFFAELA LINDORFER

Ende Jänner haben sich SPÖ und ÖVP auf einen runderneue­rten Regierungs­pakt verständig­t, ein Teil davon wurde abgearbeit­et, aber wesentlich­e Punkte sind noch offen. Die Roten machen weiterhin Druck auf den NochKoalit­ionspartne­r, die offenen Projekte trotz beabsichti­gter Neuwahl noch umzusetzen (siehe Seite 2).

Sebastian Kurz, potenziell­e Nummer 1 in der Volksparte­i, will die „Reformpart­nerschaft“zwar nicht fortsetzen, aus seinem Umfeld wurde am Freitag aber signalisie­rt, man könnte unter gewissen Bedingunge­n noch etwas weiterbrin­gen. „Für den Fall“, dass die SPÖ dem Neuwahlant­rag zustimme, solle der Versuch unternomme­n werden, „was im Regierungs­pakt bereits ausgemacht und fertig ausverhand­elt ist, umzusetzen“. Die SPÖ glaubt nicht daran.

Was ist ausgemacht – und was ausverhand­elt?

SPÖ-Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id sah sich mit dem Schulpaket schon durchs Ziel laufen, da sagt Lehrergewe­rkschafter Paul Kimberger am letzten Verhandlun­gstag: „Von einer Einigung kann überhaupt keine Rede sein.“

Am Freitag wurde hitzig um die von Hammerschm­id gewünschte Aufhebung der Höchstzahl von 25 Schülern pro Klasse verhandelt – für die Lehrer ein No-Go. „Wir haben jetzt ein Modell vorgelegt bekommen und werden es nächste Wochehaarg­enauvon unseren Juristen prüfen lassen“, erklärt Kimberger. Auch die zweite Forderung, dass Zusammensc­hlüsse von Schulen nur freiwillig erfolgen dürfen, wurde (noch) nicht erfüllt. Hammerschm­id will die so genannten Cluster zwangsweis­e verordnen können.

Damit das Paket im nächsten Schuljahr starten kann, müsste es spätestens am 6. Ju- ni im Ministerra­t beschlosse­n werden. Das hängt nicht nur an Rot-Schwarz, sondern auch an den Lehrern.

Unternehme­rn, die neue Jobs schaffen, sollten im Nachhinein 50 Prozent der Lohnnebenk­osten rückerstat­tet werden. Dieses Projekt wurde im Ministerra­t bereits beschlosse­n und könnte im Parlament – sofern sich eine Mehrheit dafür findet – jederzeit endgültig fixiert werden. Damit könnte der Be- schäftigun­gsbonus ab 1. Juli 2017 in Kraft treten.

SPÖ und ÖVP haben im Regierungs­programm vereinbart, die Kalte Progressio­n, also die schleichen­de Lohnsteuer­erhöhung, abzuschaff­en. In welcher Form, darüber gehen die Meinungen auseinande­r. Die ÖVP will alle Lohnsteuer­zahler entlasten, die SPÖ überpropor­tional kleinere und mittlere Einkommens­gruppen – und darüber hinaus auch jenen ei- ne Negativste­uer zukommen lassen, die so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen. Dass SPÖ und ÖVP da noch zusammenfi­nden, ist mehr als unwahrsche­inlich.

Eine Möglichkei­t wäre, dass sich die SPÖ eine andere Mehrheit für ihr Modell sucht. Dafür würde sie Grüne, Neos, Team Stronach und zwei der vier wilden Mandatare benötigen. Denn die Blauen wollen keine bloßen Mehrheitsb­eschaffer sein. Sie wollen nur noch neu wählen lassen.

Die Sozialpart­ner wurden von der Regierung beauftragt, sich auf den Mindestloh­n von 1500 Euro (SPÖForderu­ng) bzw. f lexiblere Arbeitszei­ten vulgo ZwölfStund­en-Tag (ÖVP-Wunsch) zu einigen. Werden Kammern und Gewerkscha­ften nicht handelsein­s, hätte die Regierung das Projekt selbst in die Hand nehmen sollen.

Dazu wird es nun gewiss nicht kommen. Dass die Sozialpart­ner im Vorwahlkam­pf noch eine Lösung finden, ist praktisch auszuschli­eßen. Die SPÖ könnte sich für den Mindestloh­n noch eine Mehrheit abseits der ÖVP suchen. Das scheint, wie vorhin geschilder­t, vor einer Wahl aber undenkbar.

Bildungsre­form Beschäftig­ungsbonus Kalte Progressio­n Mindestloh­n bzw. ZwölfStund­en-Tag „Aktion 20.000“– Jobs für Langzeitar­beitslose

Über das Projekt von Sozialmini­ster Alois Stöger, das älteren Langzeitar­beitslosen wieder Jobs bringen soll, haben SPÖ und ÖVP nur einmal verhandelt. Mit den Gemeinden, die 20.000 Arbeitsplä­tze schaffen sollen, gibt es – abgesehen von einzelnen Modellregi­onen – aber noch keine konkreten Vereinbaru­ngen. Dass dieses Programm noch umgesetzt wird, ist illusorisc­h.

Teuerste Sitzung

Völlig ausgeschlo­ssen ist aber nicht, dass noch der eine oder andere Beschluss vor der Wahl im Parlament fällt. Das wäre auch keine Premiere.

In schlechter Erinnerung geblieben ist der 24. September 2008. Damals, vier Tage vor der Nationalra­tswahl, wurde die Hacklerreg­elung verlängert, die Familienbe­ihilfe aufgestock­t und die Mehrwertst­euer auf Medikament­e gesenkt. Überdies wurdendieS­tudiengebü­hren abgeschaff­t und den Pensionist­en eine außerorden­tliche Erhöhung gewährt. Die Vorhaben, die in dieser Marathonsi­tzung beschlosse­n wurden, haben die Steuerzahl­er an die drei Milliarden Euro gekostet.

 ??  ?? Ende Jänner hat die Regierung ein neues, 35-seitiges Programm präsentier­t. Jetzt, da Rot-Schwarz vor dem Aus steht, landet ein Großteil davon im Schredder
Ende Jänner hat die Regierung ein neues, 35-seitiges Programm präsentier­t. Jetzt, da Rot-Schwarz vor dem Aus steht, landet ein Großteil davon im Schredder

Newspapers in German

Newspapers from Austria