Neue Verfassung: „Das ist Maduros letzter Fehler“
Venezuela.
„Wir haben genug von der Gewalt, kein weiterer Terror“, hallte es durch Caracas. Rund tausend Regierungsgegner beteiligten sich am Donnerstag an einem Trauermarsch für einen 27-jährigen Studenten – das jüngste Opfer der Proteste, die seit Anfang April das südamerikanische Land erschüttern. Mindestens 38 Menschen starben dabei, Hunderte wurden verletzt, knapp 2000 inhaftiert. Der Unmut richtet sich gegen den sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro, den immer mehr Menschen für die katastrophale Lage verantwortlich machen. Dem einst reichen Erdöl-Land mangelt es mittlerweile an fast allem, was sich zuletzt u. a. an einer dramatisch gestiegenen Säuglingssterblichkeit zeigte. Wegen der hohen Zahlen zur Kindersterblichkeit wurde am Freitag die Gesundheitsminiserin gefeuert.
Maduro will die Verfassung ändern, um dem „bewaffneten Aufstand“der Opposition entgegenzutreten. Er plant eine Verfassunggebende Versammlung aus Volk und Arbeitern – und das Volk bildet nach Lesart der Sozialisten vor allem die eigene Anhängerschaft. Alle anderen, die große Mehrheit, gehören nicht dazu. Die Opposition boykottiert das Vorhaben.
Massive Polizeigewalt
Nahezu alle wichtigen Oppositionspolitiker hat Maduro bereits verhaften, unter Hausarrest stellen oder mit Berufsverbot belegen lassen. Vor Wochen scheiterte sein Versuch, das von der Opposition dominierte Parlament zu entmachten, am bis heute andauernden Protest der Straße. Amnesty International dokumentiert die systematische Verfolgung oppositioneller Kräfte, vor allem die massive Polizeigewalt gegen Demonstranten. Dass Maduro die Staatsmedien wie Parteiorgane führen lässt, kritisieren die Presseverbände massiv.
All das könnte bald ebenso in einer Verfassung verankert werden wie eine Art Privatisierung staatlicher Gewalt. Seit Venezuela auf bewaffnete Milizen zur internen Verteidigung der Revolution setzt, hat sich die Mordrate auf das Niveau eines Völkermordes eingependelt.
„Wahlen nicht mehr so wichtig“
All das kennzeichnet die ersten vier Amtsjahre des früheren Busfahrers Maduro. Nie konnte der Ex-Gewerkschafter die Fußstapfen seines charismatischen Vorgängers Hugo Chávez ausfüllen, stattdessen blamiert er sich mit bizarren Auftritten. Aus dem Gezwitscher eines Vögelchens will er Chávez’ Botschaften herausgehört haben, bei den vielen Live-Sendungen, zu deren Ausstrahlung die Sender verpflichtet sind, patzt Maduro regelmäßig.
Mit immer neuen Taschenspielertricks versucht er die Macht zu sichern. Seit die Parlamentswahlen 2015 klar an die Opposition ver- loren gingen, regiert er mit Ausnahmezustand und Sonderdekreten. Weitere Wahlschlappen auf regionaler und kommunaler Ebene verhindert er, in dem er die Urnengänge einfach ausfallen lässt. Kürzlich ließ sein Lager mit der Bemerkung aufhorchen, Wahlen seien nicht mehr so wichtig. Nun soll das alles in die neue Verfassung einfließen. „Straße und noch mehr Straße“sei die richtige Reaktion darauf, ist Oppositionspolitiker Juan Requesens kämpferisch. „Die Verfassungsgebende Versammlung ist Maduros letzter Fehler.“