Totales Desaster im Weißen Haus
Präsident Trump düpiert seine Pressesprecher / Wütende neue Erklärung zur Entlassung des FBI-Chefs
Alternative Fakten! Im Nachhinein macht sich Amerika erst in diesen Mai-Tagen einen Begriff davon, was Donald Trumps Chef-Sirene Kellyanne Conway vor einigen Wochen gemeint hat, als sie der x-ten Panne im Weißen Haus vor laufender Kamera kalt lächelnd gute Seiten abzugewinnen versuchte. Vier Tage nach der Entlassung von FBI-Chef James Comey ist dem politischen Washington schwindelig von den vielen widersprüchlichen Erklärungen des Weißen Hauses in der Frage aller Fragen: Warum hat der Präsident den obersten Polizisten des Landes in einer Nachtund Nebelaktion gefeuert? Und: Warum droht er Comey unverhohlen?
Die mächtigste Schaltzentrale der westlichen Welt hat so viele Versionen über den Abgang des 56-jährigen Top-Fahnders in die Welt gesetzt, dass Jim Hoagland, altgedienter Beobachter der Washington Post, fassungslos konstatiert: „Donald Trump ist im Krieg mit der Nation, die er führen soll.“
Eine Kostprobe bekam das US-Fernsehpublikum am Donnerstagabend. Der Chef persönlich übernahm das Kommando – und machte, so der Tenor von Politico bis New York Times, alles „nur noch schlimmer“.
Zorn und Ungeduld
In seinem von Zorn und Ungeduld geprägten Auftritt auf NBC lieferte Präsident Trump eine ganze neue Lesart der Ereignisse und stellte damit Vizepräsident Mike Pence, Regierungssprecher Sean Spicer, Vize-Regierungssprecherin Sarah Huckabee Sanders und Dutzende andere Regierungsmitarbeiter in den Regen. Sie hatten bis dahin nach Kräften allein diese Interpretation der Ereignisse angeboten: James Comey musste gehen, weil Trump sich auf Empfehlungen von Justizminister Jeff Sessions verlassen habe. Der hatte dem Top-Beamten in einem Memorandum schwere Fehler bei der Handhabung der eMail-Affäre der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vorgeworfen. Das Vertrauen in Comey und das FBI als Ganzes habe dadurch gelitten.
Die Chronisten erinner- ten sich freilich daran, dass Trump Comey kurz nach der Wahl und nach der Amtseinführung mehrfach öffentlich gelobt hatte („mutig“, „er hat das Richtige getan“). Viel wahrscheinlicher sei es, so nahezu alle relevanten Kommentatoren, dass Trump mit dem Rauswurf die von Comey beaufsichtigten Ermitt- lungen über möglicherweise illegale Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland vor der Wahl torpedieren oder gar zum Stillstand bringen wollte.
„Blender, Wichtigtuer“
NBC Nightly News mit Lester Holt. Es tritt auf der Präsident persönlich: „Ich wollte Co- mey feuern. Ich hätte ihn auch ohne Empfehlung gefeuert“, sagt Trump. Comeyseiein „Blender“und „Wichtigtuer“, der das FBI in „Aufruhr“gebracht habe. „Jeder weiß das.“Ganze Heerscharen von Agenten seien froh über die Entlassung. Wirklich?
„Sein Rückhalt in den Führungsebenen ist überwältigend“, konterte Thomas O’Connor, Präsident einer FBI-Standesvertretung mit 13.000 Mitgliedern. Auch der kommissarische FBI-Chef Andrew McCabe, bisher die Nr. 2, stellte sich gegen das Weiße Haus. James Comey habe „große Unterstützung“in der Behörde. Er selbst empfinde nichts als „Hochachtung“für seinen früheren Chef, der auf zehn Jahre gewählt war und nach nicht einmal vier Jahren gehen musste.
Aber warum wirklich? Die New York Times glaubt den wahren Grund in einem Abendessen am 27. Jänner gefunden zu haben. Am Tisch: Trump und Comey. In demGesprächsoll Trumpden per Definition zu parteipolitischer Unabhängigkeit verpflichteten Fahnder zu bedingungsloser Gefolgschaft verpflichtet haben. Comey bot bloß „Ehrlichkeit“an. Das reichte Trump offenbar nicht.
Ermittlungen
Spätestens als Comey im Frühjahr öffentlich bestätigte, dass seine Experten intensiv in der Russland-Affäre ermitteln, soll bei Trump der Gedanke gereift sein, sich des Unsicherheitsfaktors zu entledigen. Trump, so hat er auf NBC bekräftigt, hält die Russland-Affäre für frei erfunden und will die Untersuchungen insgeheim gestoppt wissen. Mehr noch: Er setzt Comey unter Druck. „James Comey sollte hoffen, dass es keine Mitschnitte unserer Gespräche gibt“, twitterte Trump am Freitag. Er befürchtet, dass Comey aus Rache Informationen an Medien weitergeben könnte. Über Russland. Und überhaupt.
Aber das FBI kommt dem Wunsch nicht nach. Der Auftrag sei „hoch signifikant“, sagte Interims-Direktor McCabe bei einer Senatsanhörung. Nichts werde seine Ermittler dabei stoppen, das Richtige zu tun.
Schriftlich reagieren
Dass Trump das Epizentrum der Chaos-Tage im Weißen Haus ist, scheint dem Präsidenten auch selbst zu dämmern. Seinen Sprechern, twitterte der hyperaktive Milliardär, sei es bei den täglichen Pressekonferenzen „nicht möglich, mit perfekter Präzision“Auskunft zu geben. Lose Idee von Trump: nur noch schriftliche Stellungnahmen, um der „Sorgfalt“genüge zu tun. Es wäre das Ende der Berichterstattung über das Weiße Haus, an die Amerika und die Welt seit Jahrzehnten gewöhnt sind.