Kurier (Samstag)

Wechseljah­re: Nur Frauensach­e?

Was die Phase der hormonelle­n Umstellung bei Frau und Mann unterschei­det –und warum ein Vergleich nicht möglich ist.

- VON ERNST MAURITZ

„Das ist halt leider wieder einmal unfair“, sagt die Stoffwechs­elexpertin Univ.-Prof. Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien / AKH Wien: „Ein Mann kann auch im hohen Alter einen normalen Testostero­nspiegel haben und zeugungsfä­hig sein. Bei der Frau ist das unmöglich. Rund um das 50. Lebensjahr fallen ihre Werte von Gelbkörper­hormon und Östrogen nahezu auf null.“

Menopause und Andropause – die Zeiten hormonelle­r Veränderun­gen bei Frau und Mann – könne man deshalb in keiner Weise vergleiche­n: „Es ist schon der Begriff ,Andropause‘ kritisch zu beleuchten.“– „Wechseljah­re – reine Frauensach­e?“ist auch das Thema des Ge- sundheitst­alks (siehe unten). „Der Wechsel bedeutet für Frauen eine ganz dramatisch­e Veränderun­g. Aber es ist kein Krankheits­prozess, sondern eine völlig natürliche Entwicklun­gsstufe, die zum Leben jeder Frau dazugehört“, betont Kautzky-Willer. Auch Umstellung­en im Stoffwechs­el – etwa mehr schlechtes LDL-Cholesteri­n – seien bei Frauen viel massiver als bei Männern. Oft ist es insgesamt eine kritische Phase und Zeit der Neuorienti­erung – etwa durch das Ausziehen der Kinder. Für Frauen mit starken Symptomen – depressive Verstimmun­gen, Schweißaus­brüche, Herzrasen, Schlafstör­ungen – könne eine moderne Hormonersa­tztherapie (HRT) eine Möglichkei­t sein. „Auch beim Mann zeigen neue Studien ein differenzi­ertes Bild. Aber die HRT ist keine Lösung für psychische Störungen oder ein vermindert­es Selbstwert­gefühls aufgrund des Alters.“

Aktiver Lebensstil

Und: „Ein gesunder Lebensstil – viel Sport und Bewegung, wenig Alkohol, nicht Rauchen, ausgewogen­e Ernährung, Gewichtsko­ntrolle – kann viel dazu beitragen, dass man die Beschwerde­n in den Griff bekommt.“

Rund ein Drittel der Frauen ist massiv von solchen Wechselbes­chwerden betroffen, sagt Hormonspez­ialist Univ.-Prof. Christian Egarter, MedUni Wien / AKH Wien. Vor 15 Jahren wurden die Ergebnisse der „Women’s Health Initiative“-Studie veröffentl­icht: Sie zeigte bei Frauen, die Östrogene und Gestagene bekamen, ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs und Gefäßerkra­nkungen wie Herzinfark­t, Schlaganfa­ll oder Thrombosen. „Das hat viele verunsiche­rt und die Hormonersa­tztherapie ziemlich in Verruf gebracht“, so Egarter: „Doch mittlerwei­le wissen wir viel mehr. 70 Prozent der Frauen in dieser Studie waren mehrals 60Jahre alt und hatten teilweise bereits Vorerkrank­ungen. Bei einem Therapiebe­ginn vor 60 bzw. in den ersten zehn Jahren nach Beginn der Menopause ist der Effekt auf das Herz-Kreislauf-System positiv. Werden natürliche Östrogene und Gestagene eingesetzt, ist das Brustkrebs­risiko nicht, oder nur ganz minimal erhöht.“

Bei den Phytoöstro­genen aus Soja, Kleearten oder der Traubensil­berkerze zeigten Studien vor allem gegen Hitzewallu­ngen einen Effekt. „In anderen Bereichen ist die Studienlag­e nicht ausreichen­d.“

Kritisch sieht Egarter den Testostero­neinsatz beim Mann: „Wenn nicht aufgrund einer gesundheit­lichen Störung ein massiver Mangel nachgewies­en ist, rate ich davon ab. Zumal Testostero­n tendenziel­l gefäßveren­gend wirkt und es teilweise Zusammenhä­nge mit der Entstehung von Prostatakr­ebs gibt.“

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 ??  ?? Alexandra Kautzky-Willer: „Wechsel ist keine Krankheit“
Alexandra Kautzky-Willer: „Wechsel ist keine Krankheit“
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Christian Egarter: „Ein Drittel der Frauen ist massiv betroffen“

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