Kurier (Samstag)

Über diesen Titel kann man trefflich streiten

Singapur im Würgegriff. Ende einer Epoche

- – P. PISA

Zwar darf seit ein paar Jahren ungestraft Kaugummi gekaut werden. (Sie müssen zuckerfrei sein oder sonst irgendwie der Gesundheit dienlich.) Aber „Lügerei“ist immer noch straf bar – es drohen drei bis acht Schläge mit dem Rohrstab.

Man muss also sehr genau sein, wenn es ums unmenschli­ch strenge Singapur geht. Das war der Brite James Gordon Farrell. In seinem Roman kann man exakt von der Orchard Road rechts in die Hill Street einbiegen, wo die Oriental Telephone Company weiß funkelt.

15 Cent mehr

Derart mittendrin war er (sind wir), obwohl er sich in Singapur nur kurz aufgehalte­n hat; und 1937, damit beginnt sein Buch, war Farrell erst zwei und nicht von Land und Geschichte begeistert.

Anhand eines englischen Handelshau­ses erzählt er, wie das Empire in Südostasie­n langsam untergeht. Was sich abzeichnet­e, als die chinesisch­en Arbeiter auf der Kautschuk-Plantage die Erhöhung ihres Tageslohns von 60 auf 75 Cent durchsetzt­en. Eine Frechheit sowas.

Es heißt, Farrells Literatur bewege sich zwischen Monty Python und Tolstoi. Tatsächlic­h nimmt er sich bis zum Einmarsch der Japaner 1942 auch viel Zeit für die Probleme der Handelshau­sBesitzer: Der Sohn ist sehr daran interessie­rt, ob mit der Formulieru­ng „Singapur im Würgegriff“die Macht des Kapitals gemeint ist oder eine angenehme Technik der Prostituie­rten mit ihren Unterleibs­muskeln.

Weltlitera­tur aus 1973, erstmals auf Deutsch.

Farrell ertrank 1979 beim Angeln.

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James G. Farrell (1935–1979)
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James Gordon Farrell: „Singapur im Würgegriff“Übersetzt von Manfred Allié. Nachwort von Derek Mahon. Verlag Matthes & Seitz. 828 Seiten. 30,90 Euro. KURIER-Wertung:

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