Kurier (Samstag)

Die Vermutung ist eine Zumutung

Herz. Ein Patient der Psychiatri­e philosophi­ert über geistige Gesundheit und schimpft übers Theater

- – P. PISA

Das könnten „wir“sein bzw. nah dran könnten „wir“sein:

Wachen in der Psychiatri­e auf. Erinnern uns nicht, wann der erste Tag in der Anstalt war.

„Nicht Anstalt!“, schimpft der große Blabla, damit wird wohl der Psychiater gemeint sein. Sanatorium heißt das. Aber der große Blabla redet viel. Alles ist Anstalt, das Leben früher draußen und jetzt hier.

Der Roman „ Herz“ist eine Verfassung (steht auf dem Umschlag), verfasst vom Wiener Alfred Goubran, 53, der gleicherma­ßen Schriftste­ller und Musiker ist.

Sein „Held“heißt Muschg und ist in schlechter Verfas- sung. Möchten denn SIE jeden Morgen von Schwester Anke, ihrem schlechten Atem und der Dunstwolke aus Fett und Bratensäft­en geweckt werden? Na eben.

Vielleicht war ihm alles zu viel, da hat er durchgedre­ht und wurde deshalb eingewiese­n. Muschg kann nur vermuten, was genau passiert ist. Er ist eine Vermutung, und seine Rederei ist eine Zumutung, wie sie seit dem Tod von Thomas Bernhard schmerzlic­h abgeht. Gesellscha­ftskritik, kunstvoll verpackt.

Lasst ihn schimpfen!

Geschlosse­n

Muschg hält einen inneren Monolog. Er hat das Gefühl, es ist immer der 17. März. Er entkommt der Routine nicht. Ein Theaternar­r, der als Theaterdis­ponent arbeitete ... Spielt ihm jemand etwas vor?

Hat er sicher in etwas hineinthea­tert?

Muschg hat eine andere Vorstellun­g vom Theater. Ihm war das System zu „geschlosse­n“... Das Theater, eine geschlosse­ne Anstalt.

Der Weg zum großen Blabla steht allen offen.

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Alfred Goubran aus Wien
 ??  ?? Alfred Goubran: „Herz“Braumüller Verlag. 192 Seiten. 20 Euro. KURIER-Wertung:
Alfred Goubran: „Herz“Braumüller Verlag. 192 Seiten. 20 Euro. KURIER-Wertung:

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