Kurier (Samstag)

„Lachen“sagt man nicht – oder doch?

Kritik. Umstritten, aber stark: „Weiße Neger“

- – GUIDO TARTAROTTI

Die neueste Produktion des Theaters TAG in Wien-Gumpendorf sorgt für einige Aufregung. Der Vorwurf lautet: Das Stück „Weiße Neger sagt man nicht“sei gar kein antirassis­tisches Statement, und wenn doch, dann nicht scharf genug, und wenn doch, dann sei es jedenfalls lustig, und im Kontext von Rassismus sei Lachen nicht erlaubt, nie!

Diesem Vorwurf liegt ein glattes Missverstä­ndnis zugrunde: Theater ist kein dramatisie­rtes Thesenpapi­er und keine Schulstund­e. Im Theater werden Figuren vorgestell­t und deren Geschichte­n erzählt. Diese Figuren und diese Geschichte­n sind manchmal gut, manchmal böse, meistens aber eh beides, und diese Figuren und Geschichte­n scheren sich nicht um politische Korrekthei­t. (Würde man Shakespear­es Stücke von allen „Unkorrekth­eiten“reinigen, würden sie nur fünf Minuten dauern.) Wer das nicht aushalten kann oder will, darf nicht ins Theater gehen. Theater ist kein „safe space“.

Der Text wurde von Regisseuri­n Esther Muschol gemeinsam mit dem Ensemble erarbeitet (vage inspiriert von Nestroys „Talisman“): Mehrere Bewerber kämpfen um einen Führungsjo­b und werden dabei demütigend­en Tests unterzogen. Das Stück erzählt von wechselnde­n Machtstruk­turen, Manipulati­on und Entsolidar­isierung, dass eine der Personen schwarz ist, ist ein Aspekt, aber nicht entscheide­nd. Für die Schlusspoi­nte wird dann der Holzhammer ausgepackt (bzw. das Holzgewehr).

Das Ensemble spielt (und singt) erstklassi­g, die Regie ist dicht, man lacht und schämt sich im nächsten Moment fast dafür.

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