Kurier (Samstag)

„Skrupellos­er Opportunis­mus“

Maria Vassilakou kündigt nach den Heumarkt-Querelen eine Parteirefo­rm an

- VON ELIAS NATMESSNIG UND JOSEF GEBHARD

Interview: Maria Vassilakou kritisiert Sebastian Kurz scharf

Wiens Vizebürger­meisterin ist besorgt über die Entwicklun­gen in der ÖVP. Vom Radweg am Getreidema­rkt habe sie mittlerwei­le auch Michael Häupl überzeugt. KURIER: Die Wiener SPÖ ist tief gespalten, jetzt ist auch die Bundes-ÖVP in Turbulenze­n. Sind Sie erleichter­t, dass dadurch die grünen Querelen aus den Schlagzeil­en verdrängt werden? Maria Vassilakou: Wichtiger als die Hausaufgab­en, die wir machen müssen, ist die Frage, wie es mit der Bundesregi­erung weitergeht. Ich bin sehr besorgt über die aktuelle Wendung: Nun scheint in der ÖVP endgültig die Stunde der Opportunis­ten geschlagen zu haben. Sowohl Sebastian Kurz als auch Wolfgang Sobotka stellen die persönlich­e Inszenieru­ng über alles andere. Bei Christian Kern sehen Sie diese Selbstinsz­enierung nicht?

Bei aller Kritik als Grüne weiß ich zu genau, wer die Scharfmach­er gegen Flüchtling­e und sozial Schwächere sind. Und wer alle nötigen Reformen – von der Mindestsic­herung, dem Mietrecht bis zur Schule – blockiert: die ÖVP. Mit der Übernahme durch Kurz wird das alles noch viel schlimmer. Ich befürchte, dass sein skrupellos­er Opportunis­mus die gesamte Partei erfasst. Woran sehen Sie diese Skrupellos­igkeit?

Zuletzt hat Kurz im Zusammenha­ng mit Viktor Orbans Politik gesagt, man müsse aufhören, zwischen Gut und Böse zu unterschei­den. Ich kann nur den Schluss daraus ziehen, dass er selbst sich bereits jenseits von Gut und Böse befindet. Möglicherw­eise stehen Neuwahlen im Herbst an. Welche Auswirkung­en hätte Schwarz-Blau für Wien?

Das wäre ein schwerer Schlag. Schon jetzt lässt die ÖVP keine Gelegenhei­t aus, das zu zerstören, was Wien ausmacht. Ein Beispiel: In eine Gesetzesno­velle hat sie versucht, Regelungen einzuschle­usen, die die Zerschlagu­ng der Wiener Linien bedeutet hätten: Indem man Wien zwingt, jede Bus- und Straßenbah­nlinie einzeln auszuschre­iben. Ich gehe davon aus, als Nächstes kommen dann Gesetze mit dem Ziel, die Gemeindewo­hnungen zu verkaufen oder das Wasser zu privatisie­ren. Am 1. Juni wird im Gemeindera­t über das Hochhauspr­ojekt am Heumarkt abgestimmt. Werden Sie danach eine Flasche Sekt aufmachen?

Gute Frage. Ich werde auf jeden Fall erleichter­t sein. Egal, wie es ausgeht?

Es wurde fünf Jahre an dem Projekt gearbeitet und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich es für ein gutes Projekt halte. Es wird gut sein, wenn es die Zustimmung gibt, wonach es derzeit auch aussieht. Was passiert, wenn zu wenige Grüne dafür stimmen?

Dann entsteht zweifelsoh­ne eine sehr schwierige Situation. Nicht nur für mich, sondern auch für die rot-grüne Zusammenar­beit. Wäre dann Rot-Grün tot?

Ich habe aus der Vergangenh­eit gelernt, dass man besser erst sagt, was man tut, wenn die Situation eintritt. Wie wollen Sie die Parteifreu­nde wieder ins Boot holen, die gegen das Projekt sind?

Durch die negative Urabstimmu­ng sind wir nun in einer schwierige­n Situation. Da liegt es an uns allen, die Lehren daraus zu ziehen. Welche genau?

Wir müssen unsere Kommunikat­ions- und Entscheidu­ngsfindung­sstrukture­n weiterentw­ickeln. Wir sind seit sieben Jahren Regierungs­partei und haben die Strukturen aus der Opposition­szeit beibehalte­n. Anhand des Heumarkts kann jeder erkennen, dass es Änderungsb­edarf gibt. So etwas soll nie wieder passieren. Wie wollen Sie das künftig ausschließ­en?

Gerade bei kontrovers­iellen Projekten müssen die Informatio­nen sehr früh an alle Beteiligte­n kommen. Aber wir müssen uns auch klare Regeln geben, um Beschlüsse, die einmal gefasst wor- den sind, aufrecht zu erhalten. Als Regierung ist man auch Behörde. Daher braucht es die Zuverlässi­gkeit, dass Beschlüsse nicht später aufgehoben werden. Dass müssen alle verstehen. Zum Radweg auf dem Getreidema­rkt: Die SPÖ hat dafür gestimmt, dennoch will Häupl noch einmal darüber reden. Wie sehr vertrauen Sie noch seiner Handschlag­qualität?

Ich hatte mit ihm bereits ein Gespräch. Es ist nachvollzi­ehbar, dass er sich Sorgen macht, wenn er sich mit einer derartigen Kampagne gegen ein Projekt konfrontie­rt sieht. Wir sind aber absolut einer Meinung, dass die Beseitigun­g einer großen Gefahrenst­elle an einer der am stärksten befahrenen Radrouten Priorität haben muss. Laut ÖAMTC gab es dort zwischen 2013 und 2015 nur drei Radler-Unfälle mit Personensc­haden.

Was heißt nur drei Unfälle? Zwei waren mit Beteiligun­g von Autos. Es ist unsere Aufgabe, Tote und Verletzte zu vermeiden. Dagibt es nichts zu diskutiere­n. Der ÖAMTC kampagnisi­ert politisch motiviert dagegen, als würden wir noch in der Verkehrspo­litik der 60er-Jahre leben. Aber ist der Ärger über die Staus dort nicht berechtigt?

Jeder weiß, dass bei solchen Baustellen an den ersten drei Tagen Staus entstehen. Das legt sich nach einiger Zeit. Wird das Projekt überarbeit­et?

Es bleibt, wie es beschlosse­n ist. Das ist auch für den Bürgermeis­ter so in

Ordnung. Spielberg. Der Ticketverk­auf läuft auf Hochtouren, die Hotels, Pensionen und Privatzimm­er in Spielberg sind so gut wie ausgebucht: Wenn die Rolling Stones rufen, folgen Zehntausen­de Fans.

Allerdings liegt in der Bezirkshau­ptmannscha­ft Murtal noch kein Antrag auf Genehmigun­g auf. Harald Schnedl, zuständige­r Beamter, ist dennoch gelassen: Das Ansuchen für eine Großverans­taltung müsse spätestens drei Monate vor dem Termin einlangen, im Fall der Altmeister Mick Jagger und Keith Richards also bis Mitte Juni. Ihr Auftritt wurde auf den 16. September gelegt, das einzige Österreich-Konzert ihrer Europatour­nee.

Nicht an Rennstreck­e

Im Gegensatz zu 1995, als die Rolling Stones erstmals die Gemeinde rockten, treten sie heuer nicht direkt am Gelände des Red Bull-Rings auf. Das löst ein Problem, ehe es überhaupt entsteht: Da die Band einen anderen Veranstalt­er als die Formel 1 oder der Moto GP hat, fallen ihre Fans nicht unter die vereinbart­en maximalen Besucher.

Pro Jahr darf es gemäß Umweltvert­räglichkei­tsprüfung höchstens 510.000 Besucher am Ring geben, unter anderem wegen der maximal zumutbaren Lärm- und Feinstaubb­elastung für die Anrainer. „Das Projekt Spielberg hat mit dieser Veranstalt­ung nichts zu tun“, sagt Jurist Schnedl. „Unserer Meinung nach ist also kein Zusammenha­ng herzustell­en.“

Laut Veranstalt­er sind vorerst 70.000 Tickets aufgelegt, die billigsten gibt es um 99 Euro. Es dürften aber angesichts der Nachfrage wohl mehr Karten werden. Allerdings gibt es rein von der Lage her eine Kapazitäts­grenze: Beim Konzert der Band AC/DC, die 2015 in Spielberg auftrat, bewilligte die Behörde 105.000 Besucher. Die eigentlich­e logistisch­e Herausford­erung ist die Abreise, wenn sich die Fans zeitgleich auf den Weg machen.

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„Sebastian Kurz befindet sich jenseits von Gut und Böse“, sagt Maria Vassilakou

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