Auf Business-Trip bei Putin
Wahlkampf setzt sich im Ausland fort, Kern betont Wirtschaftsfragen
Sicherheitsvorkehrungen, strenger als auf Flughäfen, Security wohin das Auge reicht. Gigantische Hallen wie auf einer Hightech-Messe, das ist die Leistungsschau der russischen Großindustrie und Hochfinanz.
Das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg, an Russlands Tor zum Westen, nur 200 Kilometer von der finnischen EU-Außengrenze entfernt, lockt alljährlich alles an, was in Russland Rang und Namen hat.
Auf einem Rundgang durch das Panoptikum der wieder erstarkten russischen Wirtschaft trifft Kanzler Christian Kern z. B. auf Gazprom-Chef Alexej Miller, einen der einflussreichsten Manager Russlands und wichtigsten Kooperationspartner der OMV. Aber auch auf den Wiener FPÖ-Stadtrat Johann Gudenus, der die blauen Bande zu seinen Freunden in Russland zu stärken versucht.
Kern und Gudenus tauschen ein paar Höflichkeitsf loskeln aus, dann geht es weiter. Ein Vorgriff auf rotblaue Koalitionsverhandlungen, witzeln mitgereiste Journalisten? Selbstverständlich nicht, wehrt Kern ab und verweist auf die Gebote der Höflichkeit. Er habe Gudenus zum ersten Mal gesehen.
Das ungeschriebene Gesetz, wonach bei Auslandsreisen von Politikern die Innenpolitik ausgeklammert bleibt, ist in Wahlkampfzeiten nicht immer durchzuhalten.
Kern ist EU-Stargast
Christian Kern ist der erste Regierungschef Österreichs, der das Wirtschaftsforum in St. Petersburg besucht.
Kern ist in diesem Jahr neben dem indischen Premier Modi auch der Stargast von Wladimir Putin. Ein Foto mit dem russischen Präsidenten, der in seiner Heimat- und alten Zarenstadt einmal im Jahr Hof hält, macht sich im Wettstreit mit Außenminister Sebastian Kurz sehr gut.
Aber auch inhaltlich findet die Auseinandersetzung zwischen Kern und Kurz in der russischen Metropole an der Newa ihre Entsprechung. Das riesige Wirtschaftstreffen mit mehreren Tausend Teilnehmern gilt als russischer Gegenentwurf zum Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos. Kern streicht hier bei jeder Gelegenheit den früheren Top-Manager hervor, der sich selbst als Türöffner für Österreichs Industrie sieht.
Neben dem leidigen Thema der EU-Sanktionen, die Kern, aber auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl lieber heute als morgen beenden würden, dreht sich deshalb alles um den Ausbau der traditionell guten Wirtschaftsbeziehungen. Beispielsweise wird hier eine wichtige Kooperation der OMV mit der Öltochter des russischen Gasgiganten Gazprom im Iran unterzeichnet.
Doch Kern referiert nach seinen Besuchen bei Magna und anderen in dieser Woche auch über die Vorzüge des Beschäftigungsbonus oder der Forschungsprämie. Zum ersten Mal seit Jahren zeigten die Wirtschaftsdaten nach oben, die Arbeitslosenzahlen nach unten, wird der SPÖChef nicht müde zu betonen.
Die Message scheint völlig klar: Hier der frühere Verbund-Vorstand und ÖBBChef, dort der junge Außenminister, der keine Wirtschaftsund Unternehmens-Erfahrung vorzuweisen habe. Kern will über Wirtschaft und Jobs diskutieren und redet bereits von der Notwendigkeit einer nächsten Steuerreform. Das darf kein Flüchtlings-Wahl- kampf werden, scheint die rote Maxime zu sein.
Später, bei einer Podiumsdiskussion mit Putin und Kern vor Hunderten Zuhörern, bei der Putin Kern sogar duzt, geht es dann um die großen Themen: Trump, Terrorismus, Globalisierung, Syrien, Klimawandel. Kern spricht die Sanktionen an, die beiden Seiten schaden, streift Demokratie, Menschenrechte. Klarer Schwerpunkt sei aber die Notwenigkeit zur Kooperation – zum wirtschaftlichen Nutzen beider Seiten.
Wahl am Krim-Tag
Die Gegeneinladung für Putin ist ausgesprochen, für Kitzbühel 2018, kurz bevor sich Putin seiner ungefährdeten Wiederwahl stellt. Gewählt wird in Russland am 18. März, dem Jahrestag der Krim-Annexion. Aber bei diesem Thema drücken westliche Politiker mittlerweile fast alle Augen zu. Das Verhältnis zu den USA unter Donald Trump kühlt ja zur Zeit massiv ab, umso wichtiger scheint die alte Russland-Connection.
Die Einladung an Putin finde in enger Abstimmung mit Bundespräsident Van der Bellen statt. Auch mit Außenminister Kurz? Kern knapp: „Schon, auch.“