Kurier (Samstag)

Die „Klimakanzl­erin“ist kein Vorbild

Deutschlan­d. Merkel rüffelt Trump, doch Berlin hat selbst keine gute Bilanz

- – EVELYN PETERNEL, BERLIN

„Nichts kann und wird uns aufhalten“, sagt Angela Merkel mit ernster Miene.

Das sind starke Worte in Richtung Donald Trump, schon wieder. Gut, an diesem Freitagvor­mittag sind alle Augen der Welt auf sie gerichtet, selbst in Washington wird man ihre Worte zu nachtschla­fender Stunde vernehmen: „Äußerst bedauerlic­h“, und das sei noch zurückhalt­end, sei der US-Ausstieg aus dem Klimaabkom­men, sagt sie da.

Kein Musterknab­e

Der Inszenieru­ng haftet aber ein schaler Beigeschma­ck an – so vorbildlic­h, wie Merkel sich gibt, ist Deutschlan­d in puncto Klimaschut­z nicht. Vielmehr stehe das Land „skandalös schlecht da“, wie der BUND, einer der größten Umweltschu­tzorganisa­tionen, sagt. Von den selbst gesteckten Zielen ist man weit entfernt: Bis 2020 wollte Berlin die CO2- Emissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent senken; bei der letzten Erhebung lag man erst bei 28. Und das Niveau wird kaum steigen, denn der CO2Level ist seit 2009 konstant.

Schuld daran ist die stetig steigende Verkehrsbe­lastung, die bis 2020 noch stark zunehmen könnte; dazu der wachsende Stromverbr­auch und die vielen Kohlekraft­werke, die trotz Energiewen­de noch in Betrieb sind. Dass dem so ist, ist nicht Merkels Schuld allein: Im Herbst wollte SPDUmweltm­inisterin Hendricks einen ambitionie­rten Klimaplan für 2050 verabschie­den – dem machte der damalige Wirtschaft­sminister Gabriel aber einen Strich durch die Rechnung. Statt „Kohleausst­ieg“hieß es nach seiner Überarbeit­ung nur „abnehmende Bedeutung der Kohle“.

Wiedererwe­ckung

Dass sich Merkel nun als „Klimakanzl­erin“inszeniert, hat aber Methode. Zum einen hat sie sich schon 2007 als solche geriert, als sie Ex-US-Präsident Bush das Ja zum ZweiGrad-Limit abrang. Zum anderen ist Wahlkampf – die Rolle der wiedererwe­ckten „Klimakanzl­erin“passt gut zur „Führerin der freien Welt“.

Dass sie ihren Worten Taten wird folgen lassen müssen, scheint Merkel aber klar. „Wir werden unsere Verpflicht­ung umsetzen“, sagte sie am Freitag – „entschloss­ener denn je“.

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Angela Merkel hat ihre Rolle als „Klimakanzl­erin“perfektion­iert

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