Umfrageabsturz für May: Bei Tories wächst Frust über den Wahl-Poker
Der Wahlkampf der Premierministerin gerät immer mehr aus dem Takt. Bei den Konservativen wird offen mit der Niederlage und den Folgen spekuliert.
Ein Wahlkampf-Spruch in aller Munde, eigentlich der Wunsch jedes Politik-Strategen. Mit der rasenden Verbreitung ihrer Parole „strong and stable“(etwa „stark und stabil“) dürfte Theresa May inzwischen keine Freude mehr haben. Ob Radioshow oder millionenfach verbreitetes Youtube-Video: Ganz Großbritannien übt sich in Parodien des Stehsatzes, mit dem die Premierministerin ihre Wahlkampf-Auftritte über Wochen gespickt hatte. T-Shirts und Buttons mit der Aufschrift „Strong and stable – im A...“tauchen überall in den Pubs auf.
Labour schließt auf
Dazu kommen täglich neue Umfragen, die den vor wenigen Wochen noch gigantischen Vorsprung der Konservativen auf wenige Prozentpunkte zusammenschmelzen lassen. Labour-Chef Jeremy Corbyn, in seiner eigenen Partei als verzopfter Linksabweichler und programmierter Verlierer umstritten, spürt den Rückenwind und gibt sich selbstsicherer und mutiger denn je. Er werde diese Wahl gewinnen, kommentiert der 68-Jährige alle journalistischen Spekulationen über ein mögliches Patt im Parlament nach den Wahlen. Eine von Labour geführte Linkskoalition könnte so die derzeit re- gierenden Tories in die Opposition schicken.
Brexit-Unsicherheit
Ob sie nun bei den Wahlen am kommenden Donnerstag eine Niederlage einfährt oder doch noch einen kleinen Vorsprung über die Ziellinie rettet: Für Theresa May bahnt sich – glaubt man den Umfragen – in jedem Fall ein politisches Desaster an. Schließlich hat sie selbst die vorzeitigen Wahlen vom Zaun gebrochen. Beflügelt vom Umfragehoch im Frühjahr, wollte sich die Nachfolgerin von David C am eron mit einem Wahltriumphe in Mandat für die jetzt in wenigen Tagen beginnenden Verhandlungen über den Brexit holen. Sie allein, so das von der stets unterkühlten May stur verkündete Motto, sei stark genug, um für die Briten in die „BrexitSchlacht“zu ziehen.
Doch die Heldenpose wurde von einer Reihe schwerer Fehler im Wahlkampf erschüttert. Statt der Schlacht gegen die EU sind auf einmal geplante Sparmaßnahmen im Pensionssystem Thema – und die treffen ausgerechnet konservative Stammwähler, die Einfamilienhaus-Besitzer.
Je mehr ihr Wahlkampf aus dem Takt gerät, desto unsicherer wird May. Die öffentliche Aufforderung Corbyns, sich doch einer TV-Debatte mit ihm zu stellen, hat sie eben erst erneut zurückgewiesen – mit der brustschwachen Ausrede, sie wolle sich lieber um Wähler kümmern, als mit Politikern zu streiten.
Bei den Konservativen wächst hinter den Kulissen der Ärger. „Sie hätte sich die ganze Wahl sparen sollen“, zitiert die Times ein hochrangiges Parteimitglied. Mays „Brexit-Schlacht“, so wird bereits spekuliert, könnte nach einem Debakel schon jemand anderer führen.