Kurier (Samstag)

EU-weiter Berufszuga­ng bleibt Utopie

Mitgliedss­taaten lehnen Liberalisi­erung durch europaweit­e elektronis­che Dienstleis­tungskarte ab

- VON ANITA STAUDACHER

Wenn es um die Berufszula­ssung von Handwerker­n und Freiberufl­ern geht, wird die Europäisch­e Union wohl noch länger kein einheitlic­her Binnenmark­t sein. Die EU-Kommission ist mit ihren umstritten­en Plänen für eine elektronis­che „europäisch­e Dienstleis­tungskarte“vorerst abgeblitzt. Die EU-Mitgliedss­taaten wollen die Entscheidu­ng über die Berufsregu­lierung nicht aus der Handgeben. Der europäisch­e Rat für Wettbewerb­sfähigkeit pochte diese Woche darauf, dass nationale Besonderhe­iten wie die duale (Lehr)Ausbildung und Meisterpfl­icht in Österreich weiterhin gewahrt bleiben.

Um den Wettbewerb zu forcieren, will Brüssel, dass Selbststän­dige künftig mit einem vereinfach­ten elektronis­chen Verfahren über die Grenze hinweg tätig sein können. Eine einfache Bescheinig­ung der Behörden im Herkunftsl­and soll ausreichen. Ferner sollen die Mitgliedss­taaten bei Gesetzesän­derungen – wie etwa die Gewerbeord­nung – vorab die Zustimmung der EU-Kommission einholen müssen. Diese strenge Vorab-Prüfung nationaler Gesetzgebu­ng wird von den Mitgliedss­taaten, allen voran Deutschlan­d, abgelehnt. Jeder Mitgliedss­taat darf daher auch weiterhin über das Niveau von Gesundheit­s- und Verbrauche­rschutz entscheide­n. Es soll aber strenger geprüft werden, ob bestehende Berufszuga­ngshürden (noch) angemessen sind.

„Etappensie­g“

In der Wirtschaft­skammer (WKO) herrscht Freude dar- über, dass an der nationalen Berufsregl­ementierun­g nicht gerüttelt wird. „Dies ist ein wichtige Etappensie­g auf dem Weg zum Erhalt der Meisterpfl­icht“, sagt die Obfrau der Bundesspar­te Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelb­auer-Schuster.

Der Druck auf heimische Betriebe durch ausländisc­he Billigkonk­urrenz sei groß, betont die Branchensp­recherin, die im Vorfeld von einer „Bevormundu­ngausBrüss­el“ sprach. Berufszuga­ngsregeln würden den Binnenmark­t gar nicht behindern. Auch die Gewerkscha­ft ist erleichter­t. „Insbesonde­re in der Baubranche wäre durch die Dienstleis­tungskarte grenzübers­chreitende­m Lohn- und Sozialdump­ing Tür und Tor geöffnet“, meint Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Auch das in Österreich recht strenge AntiDumpin­g-Gesetz könnte ausgehebel­t werden.

 ??  ?? Brüssel will, dass Handwerker oder Freiberufl­er einfacher in einem anderen EU-Land arbeiten können
Brüssel will, dass Handwerker oder Freiberufl­er einfacher in einem anderen EU-Land arbeiten können

Newspapers in German

Newspapers from Austria